Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen
und drehte das Feuerzeug wieder in langsamen Bogenbewegungen herum.
Jury sagte: »Sie lebten zusammen in der Wohnung in der Sloane Street?«
Brunner nahm sein Bier, trank einen Schluck und stellte es wieder hin. »Das haben Sie schon mal gefragt. Und ich habe schon mal geantwortet.« Brunner fügte hinzu: »Wie kommen Sie eigentlich auf die Idee, zu glauben, Billy sei schwul? Er hatte schließlich eine Freundin. Ich bin sicher, Sie haben schon mit ihr gesprochen.«
Jury nickte. »Sie meinen Angela Riffley.«
Brunner begutachtete das verkohlte Ende seiner Zigarette. »Ja. Na, das ist vielleicht ein Weib!«
Jury nickte lächelnd. »Schwer einzuschätzen, diese Frau. Wie viel verbirgt sie, oder ob sie überhaupt etwas verbirgt? Bin ich so dumm, dass ich sie nicht durchschaue, oder gibt es überhaupt nichts zu sehen?«
Kurt lachte. »Typisch Angela. Sie besitzt das Talent, einem die Sinne zu benebeln.«
»Hat sie tatsächlich alles das gemacht, was sie behauptet?«
»Das bezweifle ich, aber nun ja … wie kann man das wissen?«
»Sie ist zwar äußerst attraktiv, aber irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, wie man sie ernst nehmen kann. Sie wissen schon, auf lange Sicht, meine ich.«
»Das liegt daran, dass Sie über einen gesunden Menschenverstand verfügen.«
Jury hätte fast gelacht.
»Den hatte Billy nämlich nicht. Billy suchte jemanden, mit dem er sich messen konnte, mit dem er sich intellektuell austauschen konnte. Billy hatte ungefähr so viel Ahnung, was eine Ehe ist, wie … ein Rettich.«
Kurt drehte das Feuerzeug zwischen den Fingern und klickte es nach jeder Umdrehung mit der Kante auf den Tisch. Nervös.
Fand Jury zumindest. »Wie lange waren sie zusammen?«
»Etwas über ein Jahr, glaube ich.«
»Und hat er um ihre Hand angehalten?«
Kurt hörte auf, das Feuerzeug herumzudrehen. »Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich bezweifle es. Hat sie das behauptet?«
»Nicht … direkt.«
Darüber mussten beide lachen.
Jury sagte: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Angela Riffley einem irgendetwas geradeheraus sagt.«
Kurt nickte. »Und doch unterschätzt man sie vielleicht. Sie ist ziemlich clever.« Während er in sein leeres Glas schaute, sagte er: »Billy brauchte jemanden, der ihn ab und zu zur Vernunft brachte.« Er lächelte. »Das kann ich recht gut.« Nach einer Pause sagte er: »Billy lebte sein Leben wie im Fieberrausch: Ständig lauerten irgendwo Krisen. Armageddon war allgegenwärtig.«
Jury fragte: »Was gehörte denn dazu, das Geschäftliche zu regeln?«
»Für Billy? Ach, Aufzeichnungen, Verpflichtungen, Geld, Wohltätigkeitsveranstaltungen, Instandhaltung. Es gibt doch erstaunlich viel, worüber man Buch führen muss, selbst im einfachsten Leben, und Billys Leben war nicht einfach.« Er nahm sein Bierglas, dessen Schaumspuren seitlich angetrocknet waren. »Wir brauchen noch eins.« Er stand auf.
Jury gebot ihm Einhalt. »Moment. Ich bin dran.«
Kurt stand bereits und hielt beide Gläser in der Hand. »Ist das wirklich so wichtig?« Er ging zur Theke.
Jury saß da und überlegte. War es so? War ihm das einfache Ritual des Getränkeholens wirklich wichtig? Vielleicht. Vielleicht sollten einem solche Rituale wichtig sein.
Das frisch gezapfte Pint tauchte vor ihm auf, und Kurt setzte sich wieder hin.
Jury sagte: »Gefiel Ihnen dieses Arrangement mit Billy?«
Kurt nahm einen Schluck und stellte sein Bier ab, bevor er antwortete. »Absolut. Mir macht diese Schreibtischarbeit nichts aus. Ich bin es gewöhnt, Buch zu führen, Dinge zu ordnen, wissen Sie. Und der Rest – na ja, das war ja kaum Arbeit.«
In seiner Stimme schwang etwas mit, was Jury eigentlich weiterverfolgen wollte, es dann aber doch nicht tat. »Billy hinterließ kein Testament.«
»Offenbar nicht.« Kurt trank sein Bier.
»Ist das für Sie denn unerheblich?«
»Er ist tot. Das ist das einzig Erhebliche.«
»Offenbar war er recht vermögend. Ist Ihnen das denn egal?«
»Sie haben jetzt auf sechs verschiedene Arten versucht, eine Antwort aus mir herauszubekommen, die Sie zufriedenstellt.« Er lächelte. »Die Antwort lautet immer noch, nein. Tut mir leid, damit müssen Sie einfach leben.« Er schob ein paar Münzen vom Tisch in die hohle Hand.
»Ich muss meinen Sergeanten abholen und nach London zurückfahren.« Jury warf einen Blick auf seine Uhr. »Mein Gott, schon fast acht –« Erschrocken zog er sein Handy hervor, um Phyllis Nancy anzurufen, und stellte dann fest, dass es keinen Saft mehr
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