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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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tat es an seiner Stelle. Und in dem Regal standen sie auch alle in einer Reihe, die Scharf-Krimis mit ihren bunten Schutzumschlägen. «Das ist es doch?» Jury nahm den Band aus dem Regal und sah, wie Darrington Sheila einen kurzen Blick zuwarf. «Dürfte ich es mir wohl ausleihen? Und auch den dritten Band? Vielleicht inspiriert mich Ihr Kommissar Scharf.»
    Darrington hatte sich wieder gefaßt und sagte: «Wenn Sie sich langweilen wollen, bitte.» Sein Lachen klang nicht sehr überzeugend.
    Beide wirkten sehr erleichtert, als sie Jury zur Tür begleiteten.

Während er die Dorfstraße entlangging, schaute Jury noch einmal auf der Skizze, die Pluck für ihn angefertigt hatte, nach dem Kreuz, das das Haus der Rivingtons kennzeichnete. Hätte man doch nur eine Viertelstunde nach dem Mord all diese Leute in einem Raum zusammentreiben können, eine große Familie, die betreten vor ihrem Tee saß, während die Dienerschaft in der Küche eines geheimnisumwitterten Landhauses hockte. Alle auf einem Haufen. Statt dessen mußte er halb Northants abklappern, und die Fährte war schon so alt, daß selbst ein trainierter Bluthund nichts gerochen hätte. Er ließ seine Blicke die Dorfstraße entlangwandern, sah die bonbonfarbenen Häuser in der Wintersonne aufleuchten, deren Strahlen von den verschneiten Dächern reflektiert wurden, und einen Augenblick lang hatte er das Gefühl, in eine Märchenstadt versetzt worden zu sein.
    Das Haus der Rivingtons war das eindrucksvolle Tudor-Gebäude an dem Platz gleich hinter der Brücke. Als er etwas näher herankam, konnte er von dem Höcker der Brücke aus erkennen, daß es eigentlich zwei zusammengebaute, ziemlich große Häuser waren.

    Isabel Rivington trug an diesem Vormittag eine weiße Seidenbluse und ein kamelhaarfarbenes Kostüm, in dem sie genauso elegant aussah wie am Tag zuvor. Die etwas handfestere Sheila Hogg war jedoch eher nach Jurys Geschmack. Diese hier erinnerte ihn an einen Piranha, und es hätte ihn nicht gewundert, wenn er die Wohnung mit ein paar Fingern weniger verlassen hätte.
    «Ich hoffe, auch Ihre Schwester anzutreffen – Vivian, so heißt sie doch?»
    «Sie ist im Pfarrhaus.»
    «Ach.»
    «Können Sie sich daran erinnern, Small an dem Abend, an dem er ermordet wurde, noch vor dem Essen in der Bar gesehen zu haben?»
    Nachdem sie Jury aufgefordert hatte, Platz zu nehmen, zog sie eine Zigarette aus einem Porzellanbehälter und beugte sich etwas zu dem Streichholz vor, das er ihr hinhielt. Sie schien es nicht gerade eilig zu haben. «Falls es der Mann war, der mit Marshall Trueblood zusammensaß, ja. Dann muß ich ihn wohl gesehen haben, aber er ist mir nicht weiter aufgefallen. Die Bar war ziemlich voll.»
    «Und Sie gingen nicht in den Keller, nachdem man seine Leiche dort gefunden hatte?»
    «Nein.» Sie schlug ihre schimmernden Beine übereinander, und auf dem einen erschien ein goldener, vom Widerschein des Feuers erzeugter Streifen. «Ich bin nicht gerade tapfer in solchen Situationen.»
    Jury lächelte. «Wer ist das schon? Ihre Schwester ist aber runtergegangen.»
    «Vivian? Oh, Vivian ist –» Sie zuckte mit den Schultern, als nehme sie die seltsame Vorliebe ihrer Schwester für Leichen nicht besonders ernst.
    «Sie ist auch nicht meine richtige Schwester. Wir sind Stiefschwestern.»
    «Sie verwalten das Vermögen Ihrer Schwester?»
    «Barclay’s Bank und ich, Inspektor. Was hat das mit der Ermordung von zwei Unbekannten zu tun?» Sie schien eine Antwort zu erwarten.
    Er überging jedoch ihre Frage. «Sie können also nicht frei über das Geld verfügen?» Die gelangweilte Duldermiene zeigte nur mühsam unterdrückten Ärger. «Und wann kommt sie in den Genuß des Vermögens?» fragte Jury.
    Ihr schweres Goldarmband schlug klirrend gegen den Aschenbecher, als sie ihre Zigarette abklopfte. «Mit dreißig.»
    «Ziemlich spät, finden Sie nicht auch?»
    «Ihr Vater – mein Stiefvater – war noch von der alten Sorte. Frauen können nicht mit Geld umgehen und so weiter. Sie hätte es aber bekommen, wenn sie geheiratet hätte. So stand es in dem Testament. Andernfalls erst mit dreißig.»
    «Und wann wird sie dreißig?» Die Tatsache, daß sie so angestrengt an ihm vorbeischaute, bewies Jury, daß er einen wunden Punkt berührt hatte. Etwas an Isabel Rivington, etwas Zügelloses, Ausschweifendes, hatte seine instinktive und spontane Abneigung erweckt. Sie sah zwar gut aus, aber ihre Tranigkeit verriet eine Vorliebe für süße Liköre und zu viele

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