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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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stimmt da nicht.»
    «Aber wenn er nicht von draußen gekommen ist, muß er schon im Haus gewesen sein», er deutete auf die Decke. «Es muß also einer von den Gästen gewesen sein.»
    Jury nahm seine Beine von dem Stuhl. «Sie haben’s erraten, Wiggins. Schauen Sie zu, daß Sie gesund werden. Ich brauche nämlich Ihre Hilfe.»
    Als Jury sich an der Tür noch einmal umdrehte, sah Wiggins schon bedeutend besser aus.
    Nach dem Frühstück – einem sehr üppigen Frühstück mit Eiern, Würsten und Bücklingen, das ihm von Daphne Murch serviert wurde – ging Jury über den Hof zu dem Polizei wagen, den sie dort abgestellt hatten. Eine dicke Schneedecke lag auf dem Stroh, dem Pflaster und um das Vogelbad herum, in dem selbst jetzt noch die Zaunkönige ihre Spuren hinterließen. Als erstes mußte er Pluck seinen kostbaren Morris zurückbringen, dann konnte er im Schnee herumstapfen und Erkundigungen einziehen. Während er den Motor warmlaufen ließ, lehnte sich Jury gegen das Auto und fing mit dem Gesicht die nassen Schneeflocken auf; er studierte die Skizze, die Pluck für ihn gemacht hatte, einen kleinen Lageplan, auf dem die Häuser der Leute eingezeichnet waren, mit denen er sprechen wollte. Er beschloß, mit Darrington anzufangen, der am andern Ende des Dorfes wohnte. Jury leckte sich den Schnee von den Lippen und stieg in das Auto. Der Winter war seine liebste Jahreszeit, er mochte ihn sogar noch lieber als das Frühjahr. Und Regen war ihm lieber als Sonnenschein, Nebel lieber als klare Sicht. Ein verdammter Melancholiker bin ich, dachte er, als er aus dem Hof fuhr.

    Um zu Oliver Darrington zu kommen, mußte man Long Piddleton in Richtung Sidbury durchqueren. Als die Dorking Dean Road zu der von regenbogenfarbenen Geschäften und Häusern gesäumten Hauptstraße von Long Piddleton wurde, entdeckte Jury zu seiner Rechten die St.-Rules-Kirche und das Pfarrhaus; er fuhr weiter auf den Platz zu und sah die Bäckerei, in der Miss Ball wohl bis zu den Ellbogen im Mehl steckte. Auf der andern Seite der Brücke erblickte er Marshall Trueblood, der hinter seinem feinen Schaufenster stand und ihm zuwinkte. Jury grüßte kurz zurück. Die Hammerschmiede war verschlossen und verriegelt und bot jenen trostlosen Anblick, den manche Lokale vor elf Uhr morgens bieten.
    Jury stellte das Auto vor der Polizeiwache ab und übergab Pluck die Schlüssel, der sofort herausgelaufen kam, offensichtlich in größter Sorge um seinen Morris.
    «Ich bin bei Darrington, falls Sie mich brauchen, Wachtmeister.»
    «Gehen Sie zu Fuß, Sir?» fragte Pluck leicht erstaunt.
    «Hmm. Ich war zu lange in der Stadt eingesperrt.»
    Pluck schien es jedoch völlig gleichgültig zu sein, wie lange Jury in der Stadt eingesperrt gewesen war; seine ganze Aufmerksamkeit galt dem Auto, das er eifrig nach irgendwelchen Kratzern und Schrammen untersuchte.
    Jury machte sich auf den Weg und ging die Hauptstraße hinunter, beeindruckt von den farbenprächtigen Häusern, die wie bunte Steine in der Sonne glänzten. Als er sie hinter sich gelassen hatte, fing er an zu singen – ein Lied über die tapferen Männer von Coldstream –, anscheinend ziemlich laut, da in einem strohgedeckten Haus in der Nähe der Sidbury Road ein Fenster aufgestoßen wurde und ein Kopf auftauchte. Er hörte auf zu singen und beobachtete, wie der Vorhang langsam wieder zugezogen wurde. Er schaute auf seinen Plan. Es war Lady Ardrys Haus.

    Darringtons Haus sah genauso aus, wie man sich das Haus eines vermögenden Schriftstellers vorstellte – abgelegen und elisabethanisch. Es war umgeben von Eschen, hohen Hecken, Weiden und Ulmen und lag ein gutes Stück von der Straße zurück.
    Der Verfasser der Kommissar-Scharf-Reihe mußte gut daran verdient haben, das sah man an diesem Haus. Den ersten Band, Scharf auf Mord , hatte Jury gelesen. Gar nicht so übel, fand er, wenn man diese coolen und knallharten Helden mag. Als Jury auf die Klingel drückte und das silberne Echo in der Eingangshalle hörte, hoffte er nur, daß der Autor sich nicht mit seinen Helden identifizierte und ihm stundenlang seine eigenen Theorien unterbreiten würde.
    Die Frau, die ihm öffnete, war das, was man attraktiv nannte, auch wenn sie in dem burgunderroten Morgenmantel, der ihr beinahe von der Schulter rutschte, etwas nuttig aussah. Nur um ihre Reaktion zu sehen, fragte Jury: «Mrs. Darrington?» und beobachtete, wie ihr Gesicht in schneller Abfolge Verwirrung, Ärger und Hoffnungslosigkeit ausdrückte. Aus Erfahrung

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