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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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eigentlichen Opfer?»
    «Es ist mir auch schon durch den Kopf gegangen, daß das eigentliche Opfer vielleicht noch gar nicht ermordet wurde.»
    Pratt blinzelte mit seinen rot umränderten Augen. «Großer Gott, das sind ja schöne Aussichten.» Seine Pfeife war wieder ausgegangen. «Und Sie glauben, daß das einer aus dem Dorf sein wird?»
    «Ich weiß nicht. Aber durchaus möglich.»
    «Wer auch immer Small ermordet hat, er ist nicht durch diese Kellertür gekommen, das steht fest. In Frage kommen also nur diejenigen, die an jenem Abend in der Pandorabüchse waren.»
    «Einer scheidet aus: Melrose Plant, wie ich mit gutem Gewissen behaupten kann. Er hat zwar kein Alibi im Fall von Small und Ainsley, aber es ist kaum anzunehmen, daß es mehr als einen Mörder gibt.»
    Pratt kratzte sich wieder am Kinn. «Dann sind wir unserm Ziel ja um einiges näher. Bei seinem nächsten Anruf werde ich Kriminaldirektor Racer sagen, daß Sie beträchtliche Fortschritte gemacht haben. Entschuldigen Sie, wenn ich Sie frage – hat er eigentlich was gegen Sie? Wenn er auf Sie zu sprechen kommt, dann klingt das immer so bissig.»
    «Oh, er klingt immer so», sagte Jury.

XII Donnerstag, 24. Dezember

    Am nächsten Morgen saß Jury an Plucks schäbigem Holzschreibtisch, und Wiggins blickte ihm über die Schulter. Sie studierten Darringstons Buch Scharf auf Mord und die Fortsetzung, die gleich daneben lag. Jury fuhr mit dem Finger eine Zeile entlang und wechselte dann von dem einen Buch auf das andere über. «Der Qualitätsunterschied zwischen den beiden ist einfach enorm. Auch der Stil ist völlig anders. Mit anderen Worten, das eine wirkt wie eine plumpe Imitation des andern.»
    Wiggins schüttelte den Kopf. «Das kann ich nicht beurteilen, Sir. Aber ich bin auch kein großer Leser.»
    Jury klappte die Bücher zu und legte sie zu den andern beiden Bänden. «Ich glaube nicht, daß Darrington Scharf auf Mord geschrieben hat. Er hat nur versucht, den Stil zu imitieren, und das zweite Buch zusammengepfuscht. Meiner Meinung nach hat der Verfasser des ersten Buchs auch den dritten Band geschrieben –» Jury zog aus dem Stapel von vier Büchern eines hervor. « Scharf macht Ferien . Ja. Diese beiden stammen aus derselben Feder. Aber nicht die andern beiden. Darrington muß sich zwei Manuskripte unter den Nagel gerissen haben und danach seine eigenen gestrickt haben.»
    «Aber wer hat die andern beiden – die guten – geschrieben?»
    «Keine Ahnung. Das Interessante an der Sache ist – jemand hat vielleicht gewußt, daß es sich um ein Plagiat handelt und hat versucht, Darrington zu erpressen.»
    «Meinen Sie Small zum Beispiel? Aber was machen Sie dann mit Ainsley und Creed?»
    «Sie können es ja zu dritt geplant haben … Rufen Sie doch mal London an – sie sollen über den Verlag, für den Darrington gearbeitet hat, mehr in Erfahrung bringen. Bei seiner Tätigkeit kam er wahrscheinlich ganz einfach an Manuskripte ran.» Jury stand auf und steckte seine Zigaretten in die Tasche. «Ich werd’s ihm direkt auf den Kopf zusagen. Mal sehen, was passiert.»

    Jury war gerade dabei, in den blauen Morris zu steigen, als Melrose Plant in seinem Bentley neben ihm hielt und die Scheibe herunterkurbelte. «Was haben Sie vor, Inspektor?»
    «Oliver Darrington einen Besuch abzustatten.»
    «Morgen ist nämlich Weihnachten, wie Sie wohl wissen, und ich würde Sie gerne zum Abendessen einladen.»
    «Es wird mir ein Vergnügen sein – falls die Umstände es erlauben.»
    «Wunderbar. Ich wollte gerade nach Sidbury fahren, um Agathas Geschenk abzuholen.»
    «Was schenken Sie ihr denn?»
    «Ich dachte an ein Paar Pistolen. Mit Perlmuttgriffen, für besondere Anlässe.»
    Jury lachte, während Plant wieder davonfuhr, und bog dann mit seinem Morris in die Sidbury Road ein.

    Diesmal kam Darrington an die Tür, und er sprudelte auch gleich los. «Was zum Teufel soll das? Kommen Sie, weil die Leiche, die im Schwanen gefunden wurde, eines meiner Bücher in der Hand hatte?» Seine Augen funkelten. Offensichtlich interessierte ihn die Lektüre der Leiche sehr viel mehr als die Leiche selbst.
    «Kann ich reinkommen, Mr. Darrington?»
    Darrington riß die Tür weit auf, und Jury sah Sheila Hogg im Salon sitzen, sehr hübsch, aber auch etwas nervös und gequält. Er ging hinein und setzte sich auf den Platz, auf dem er auch schon am Tag zuvor gesessen hatte. Oliver Darrington warf ihm finstere Blicke zu, während Sheila unruhig hinter der Couch gegenüber stand

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