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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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und einen unsichtbaren Faden von der Rückenlehne zupfte. Sie war an diesem Nachmittag vollständig angezogen; sie trug einen geblümten Seidenanzug, schaffte es aber trotzdem, unangekleidet auszusehen. Die Konturen ihres Körpers sprangen einem einfach ins Auge, und der Teil von Jurys Gehirn, der nicht damit beschäftigt war, Darrington ein Geständnis abzuringen, registrierte sie beifällig.
    «Ich hab noch ein paar Fragen, Mr. Darrington.» Da sie immer noch keine Anstalten machten, sich zu setzen, legte Jury eine kleine Pause ein und zündete sich eine Zigarette an. «Wie Sie wissen, wurde wieder jemand ermordet. Ich würde nun gern von Ihnen erfahren, wo Sie sich gestern zwischen zehn und kurz nach zwölf aufgehalten haben.»
    «Hier im Haus. Sheila war bei mir.» Nichts in ihrem Gesichtsausdruck schien dem zu widersprechen, aber Jury wußte, daß keiner einem so offen in die Augen blickt wie die Schuldigen, wenn sie ihre Lügen erzählen. Er lächelte und sagte: «Außerdem wollte ich Ihnen Ihre Bücher zurückbringen.» Jury hielt sie hoch. «Sehr interessant, vor allem die Unterschiede zwischen ihnen.» Er bemerkte bei Sheila dieselben Zuckungen und fahrigen Handbewegungen wie beim letzten Mal. «Um die Wahrheit zu sagen, ich vermute, jemand hat Ihnen da ein bißchen geholfen.» Jury hatte sich so vorsichtig ausgedrückt, daß er höchst erstaunt war, als Darrington Sheila anfuhr.
    «Luder!»
    «Ich hab ihm nichts gesagt, Oliver! Ich schwör’s!»
    Sein Ärger verflog so schnell, wie er gekommen war, und er seufzte: «Ach zum Teufel, diese Komödie ist auch ausgespielt. Du kannst ihm die Geschichte ruhig erzählen.»
    Anscheinend war es Sheilas Rolle, für ihn die Kohlen aus dem Feuer zu holen.
    «Es war mein Bruder», sagte Sheila. «Er kam bei einem Motorradunfall ums Leben. Ganz zufällig, als ich nach seinem Tode seine Sachen durchging, stieß ich auf diesen Brief von Oliver. Ich hatte überhaupt nicht gewußt, daß Michael – mein Bruder – überhaupt ein Buch geschrieben hatte, und erst recht nicht, daß er versuchte, einen Verleger zu finden. Ich glaube, niemand hat das gewußt. Er war ein ziemlicher Geheimniskrämer. Auf jeden Fall ging ich zu dem Verlag, für den Oliver arbeitete; irgendwie schwebte mir wohl vor, ich könnte veranlassen, daß das Buch veröffentlicht würde, sozusagen als Andenken an meinen Bruder. Oliver war der Lektor, auf dessen Schreibtisch das Manuskript gelandet war. Er war sehr nett und verständnisvoll; wir gingen zusammen Mittag essen und sprachen über Michaels Buch – wie gut es war. Später gingen wir dann zusammen zu Abend essen. Zuerst Lunch, dann Dinner, dann …» Sheila seufzte. «Ich bin sofort auf ihn abgefahren, und genau das –» sie funkelte Darrington an – «war auch seine Absicht, stimmt’s, Liebling?»
    Darrington hatte den Blick auf sein Glas geheftet.
    «Es gab da noch ein zweites Manuskript, Scharf macht Ferien , das ich auch unter Michaels Sachen fand. Oliver las es und meinte, es sei genauso gut wie das erste. Die Versuchung war zu groß für ihn: Er konnte das erste unter seinem eigenen Namen veröffentlichen und sich das zweite für schlechte Zeiten aufheben.» Sheila lächelte gezwungen. «Und wenn Oliver schreibt, dann sind die Zeiten immer schlecht.»
    «Vielen Dank», sagte Darrington.
    «Oh, bitte, Liebling», sagte sie hart. Und zu Jury gewandt: «Das ist alles. Schäbig, armselig – was kann ich schon sagen?»
    Ein nettes Andenken, dachte Jury. Die Liebe, dachte er traurig. Liebe hatte sie da hineingezogen, und was kam dabei heraus? Nicht einmal ein Trauschein. Sie tat ihm leid. «Das zweite Manuskript war für Sie also eine Art Reserve, falls Ihr eigenes Buch ein Reinfall werden sollte?»
    Oliver hob das Gesicht. Zumindest schien er so etwas wie Schamgefühl zu besitzen. «Ja, richtig. Ich wollte es einfach mal versuchen. Ich dachte, es würde schon klappen. Es klappte aber nicht. Ich bin ein miserabler Schreiber. Als das zweite Buch sich nicht verkaufte und nur schlechte Kritiken bekam, hab ich Hoggs zweites Manuskript herausgeholt – danach war mein Stern wieder im Steigen. Ich war felsenfest überzeugt, daß ich beim zweiten Mal mehr Glück haben würde. Aber jetzt …» Er breitete hilflos die Hände aus. Dann schien er sich daran zu erinnern, daß eigentlich etwas ganz anderes zur Debatte stand. «Moment mal, Inspektor, was hat das alles mit der Leiche von heute morgen zu tun?»
    «Sie haben den Mann nicht gekannt?»
    Darrington

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