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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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starb. «Wahrscheinlich hätte sie gar keine Kinder bekommen. An ihr ist schon zu viel rumgepfuscht worden. Sie hatte mit Sicherheit schon mehr als eine Abtreibung hinter sich. Vor ein paar Jahren.»
    Irgendwie war Jury erleichtert. Wäre sie nämlich schwanger gewesen, hätte er nach dem Liebhaber suchen müssen, der sie nicht heiraten wollte und dessen Ruf ruiniert gewesen wäre, wenn Ruby geplaudert hätte. Eine solche Erklärung hätte ihn gezwungen, den Mord an Ruby getrennt von den anderen Morden zu behandeln. Genau das Gegenteil von dem, was der Pfarrer gesagt hatte, war der Fall: die anderen Morde führten nicht zu dem Mord an Ruby, sondern von ihm weg.
    «Vielen Dank, Dr. Appleby. Es tut mir leid, daß ich Sie so spät noch belästigen mußte.»
    «Spät? Es ist doch erst halb zehn, Mann. Wir in der Provinz arbeiten doch rund um die Uhr.» Appleby kicherte und legte auf.
    Jury ging zu dem Kriminalbeamten an dem Schreibtisch. Selbst um diese Zeit waren noch über ein Dutzend Leute auf dem Revier. Sie warteten nur darauf, auch endlich eine Rolle spielen zu dürfen, und es schien ihnen sehr zu gefallen, daß Jury endlich gekommen war. «Der Superintendent ist nicht da?»
    «Nein, Sir.»
    «Haben Sie die Akte über den Fall Celia Matchett? Der Mord in diesem Gasthof in Dartmouth. Liegt schon einige Jahre zurück.»
    «Ja, Sir, wenn Sie einen Augenblick warten, bring ich –»
    «Ist nicht nötig, ich muß zu den Judds und kann sie mir auf dem Rückweg abholen.» Jury wandte sich Wiggins zu, der sein Notizbuch und seine Schreibutensilien zusammenpackte. «Haben Sie bei den Judds angerufen?» Wiggins nickte. «Nun, dann mal los.»

    Mr. und Mrs. Judd lebten in dem neueren Teil von Weatherington, einer Siedlung aus langen Reihen niedriger Backsteinhäuser, die nachts kaum voneinander zu unterscheiden waren und sich wohl auch tagsüber zum Verwechseln ähnlich sahen. Vielleicht bedeuteten sie einen Fortschritt gegenüber den grauen Sozialwohnungen auf der anderen Seite der Stadt, aber sehr groß konnte er nicht sein. Weatherington hatte nicht viel zu bieten. Es war als Siedlung, als eine dieser sozialen Gartenstädte angelegt worden, und irgendwann mußte dann das Geld ausgegangen sein, oder es war von anderen, weniger auf Ästhetik bedachten Bauherren kassiert worden. Das Ergebnis war eine amorphe Masse von Häusern ohne erkennbaren Stil.
    Auf dem Rasen vor dem Reihenhaus der Judds konnte Jury die Umrisse schmückender Elemente erkennen, Gipsenten und Gipsgänse und kleine Grotten wahrscheinlich, die unter dem Schnee fast völlig verschwanden.
    Eine junge Frau öffnete ihnen die Tür. Sie war eine etwas eckigere Ausgabe von Ruby, falls Ruby ungefähr so ausgesehen hatte wie auf den Fotos. Ihre Schwester, dachte Jury. «Ja?» Ihre näselnde Stimme und ihre vorgetäuschte Ahnungslosigkeit erinnerten ihn an Lorraine Bicester-Strachan. Miss Judd fehlte nur deren angeborene Arroganz.
    «Miss Judd?» Sie nickte und schaffte es, ihre kecke, kleine Nase, die sie sowieso schon ziemlich hoch trug, auch oben zu behalten.
    «Inspektor Richard Jury, Miss, Kriminalpolizei. Und Wachtmeister Wiggins.» Wiggins tippte an seinen Hutrand. «Ich glaube, Wachtmeister Wiggins hat bei Ihnen angerufen und unseren Besuch angekündigt.»
    Sie trat zur Seite. Als er mit Wiggins an ihr vorbeiging und in die dunkle Diele trat, bemerkte Jury, daß sie keineswegs sehr niedergeschlagen wirkte. Da sie keine Anstalten machte, ihnen ihre Mäntel abzunehmen, warf Jury seinen Mantel einfach über das Treppengeländer.
    «Dort», sagte sie nur und zeigte auf einen Raum am Ende des engen, dunklen Flurs, der in den hinteren Teil des Hauses führte. Wahrscheinlich war es das hintere Wohnzimmer, da in dem Zimmer vorn kein Licht brannte. Es wurde bestimmt nur sonntags benutzt. In einer Ecke stand ein kümmerlicher, mit Lametta behängter Baum, auf dessen Sockel künstlicher Schnee gesprüht war.
    In dem hinteren Wohnzimmer, das mit elektrischen Speicheröfen und einem elektrischen Kaminfeuer geheizt wurde, saßen – erstaunlich ungerührt – die Judds.
    Mrs. Judd, eine stämmige, untersetzte Frau, die kaum von ihrem Strickzeug aufblickte, wenn sie sprach und auch dann noch so klang, als wäre sie überhaupt nicht Rubys Mutter, meinte: «Es ist schrecklich, da arbeitet man sich die Finger für sie wund, und das ist dann der Dank dafür.»
    Jury konnte nur mit Mühe seine Empörung über ihre Gefühllosigkeit unterdrücken. «Ich glaube nicht, daß Ihre

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