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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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vielleicht auch ein schmaler Pfad. Womöglich ein Überbleibsel aus der Zeit, als Teile der Klippen zusammen mit drei Häusern ins Meer gestürzt waren. Er durfte gar nicht daran denken.
    Bertie, der weder richtig hing noch stand, drückte sein Gesicht an die Felsen und preßte seinen Körper gegen die kalten, harten Klippen, als wären sie weiche, menschliche Formen, die seiner Mutter gehören könnten, wenn sie ihn nicht im Stich gelassen hätte. Auch daran durfte er nicht denken. Und er vergaß völlig, die heilige Maria, Jesus, den Engel Gabriel, die Sterne, die Sonne und den Mond in sein Gebet einzuschließen. Nur Arnold schloß er ein.
     
    In dem Haus in der Scroop Street war offensichtlich niemand da. Die Fenster waren dunkel, und die Tür war zu. Da sie nicht abgeschlossen war, ging Jury hinein und tastete nach dem Lichtschalter. Er sah das Telefon, das auf einem niedrigen Ständer stand. Er rief ein paarmal Berties Namen, erwartete aber keine Antwort.
    Er wählte die Nummer vom Old House, und Wood antwortete. Nein, Bertie habe er nicht gesehen und Mr. Plant sei auch nicht im Haus. Er habe vor einer knappen Stunde überstürzt das Haus verlassen – und er, Wood, nehme an, er sei auf der Suche nach Inspektor Jury.
    Auch Kitty hatte Bertie nicht gesehen. Sie kam ans Telefon im «Fuchs». Als er Wiggins am Apparat hatte, erzählte ihm Jury, was geschehen war, und wies ihn an, Harkins anzurufen; er solle genügend Männer mitbringen, um das Dorf, Howl Moor, die Wälder in der Nähe vom Old House und auch die Klippen am Meer absuchen zu lassen.
    «Was ist ein Schwalbenschwanz?» fragte Wiggins. Seine Stimme klang rauh und kratzig. Das bedeutete leider, daß er wieder etwas ausbrütete. «Warum hat Bertie das Ding genommen?»
    «Wer weiß? Vielleicht wollte er der Polizei helfen oder Privatdetektiv spielen oder Percy schützen. Zu viele amerikanische Fernsehserien. Ich will, daß er gefunden wird – sofort. Ich werde die Engelsstiege hochgehen und den Weg durch den Wald nehmen. Der Gedanke, daß Bertie mit diesem Ding herumläuft, gefällt mir gar nicht.»
    «Ist Arnold bei ihm, Sir?»
    «Ich weiß nicht, ist er das nicht immer?»
    «Dann kann ja nichts passieren», sagte Wiggins in einem armseligen Versuch, humorvoll zu sein.
     
    Ein Felsbrocken, ein Erdklumpen – etwas hatte sich gelöst und fiel die Felswand herunter. Arnold verlagerte geringfügig sein Gewicht. Bertie konnte die Nägel seiner Pfoten gegen den Stein schaben hören und war überzeugt, daß sie beide im nächsten Moment abstürzen würden. Er preßte seinen Körper gegen die nassen Steine und versuchte, sich an der Wurzel ein wenig hochzuziehen, um Arnolds Rücken zu entlasten. Es war bitter kalt; er konnte seine Finger kaum noch spüren; mit gekreuzten Handgelenken hing er in der Luft.
    Arnold bellte. Bertie schloß daraus, daß Arnold wieder festen Boden unter sich hatte, und ließ seine Füße so weit herunter, bis sie wieder auf Arnolds Rücken standen.
    Dann aber hörte er ein anderes Geräusch, das von oben kam. Es war ein Scharren über der Erde und dem Stein, und er begriff, daß jemand im Begriff war, den gleichen Abstieg zu versuchen, den er vorhin Arnold hatte machen hören.
    Ein warmes Gefühl der Erleichterung stieg in ihm hoch. Jemand hatte Arnold bellen hören und kam jetzt zu Hilfe – aber vielleicht kam auch jemand zurück, um das Angefangene zu Ende zu führen.
    Das Blut erstarrte ihm in den Adern, aber gleich darauf hörte er ganz in seiner Nähe eine Stimme, die ihn eher barsch als freundlich aufforderte: «Gib mir deine Hand.»
    Eine kalte, unbekannte Stimme. Bertie konnte den ausgestreckten Arm eher spüren als sehen. Wer immer es war, viel näher konnte er nicht kommen, da er kaum Platz zum Stehen und auch keinen sicheren Halt für seine Füße hatte.
    «Gib mir deine Hand!»
    Die Stimme klang schneidend. Er hatte plötzlich vor etwas ganz anderem Angst – nicht mehr vor der Felswand, an die er sich klammerte, als wäre es der Körper seiner Mutter. Panik ergriff ihn, und er fürchtete, daß sein Zittern ihn in die Tiefe befördern könnte.
    In diesem Moment kroch Arnold unter ihm weg.
    Bertie streckte blitzschnell seine Hand der Stimme und dem Atmen des anderen entgegen. Er dachte nur an diesen einen letzten Augenblick seines Lebens; gleich würde die Hand, die jetzt noch die seine umklammert hielt, ihn in das Dunkel fallen lassen.
    Es gab nur das: diesen letzten Augenblick seines Lebens. Dann hörte er jedoch andere

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