Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
Vom Netzwerk:
auftaucht, stieg das schemenhafte Bild aus den Tiefen von Jurys Bewußtsein auf. Es war Jury, wie er vor dem Spiegel stand und sein Taschentuch einmal auf der einen Seite, dann auf der anderen anbrachte … und ein zweites Bild … die Hand, die sich Les Aird aufs Gesicht gelegt hatte, um das merkwürdige Aussehen der Person im Nebel zu beschreiben … und vor allem, Adrian Rees. Das Bild. Ja, jeder hatte den gleichen Fehler begangen. Und er selbst war der größte Idiot gewesen. Seine Gedanken wanderten zurück zu dem Polizeibericht, in dem Gemma Temples Leiche beschrieben wurde … oder hatte er die Antwort, die längst verschwommen in seinem Hinterkopf vorhanden war, einfach verdrängt?
    Sie sahen ihn alle an.
    Ohne es zu merken, war er aufgestanden. «Ich muß telefonieren. Wiggins, Sie kommen in fünfzehn Minuten nach. Frühstücken Sie erst zu Ende.» Geistesabwesend steckte er seine Zigaretten in die Tasche.
    Wiggins blickte ihn erstaunt an. «Nachkommen, Sir? Wohin? Ist irgend etwas nicht in Ordnung?»
    «Doch, doch. Ich möchte, daß wir uns in einer Viertelstunde bei Adrian Rees treffen.»

2
    «Was war denn das?» sagte Melrose und blickte fragend in die Runde; selbst Arnold blickte er an.
    «Sah so aus, als hätte er einen Geist gesehen oder so was», sagte Wiggins und trank seinen Tee aus.
    Melrose wandte sich wieder seinem Kreuzworträtsel zu. Es war vielleicht etwas leichtfertig, aber er hatte genug vom Detektivspielen; er konnte also wieder zu einer Freizeitbeschäftigung zurückkehren, für die er besser geeignet schien. Man kann auf ihrem Namen Musik spielen. Eine Figur Shakespeares. Fünf senkrecht. Er kaute an seinem Bleistift. Fünfzehn waagerecht war Idiot. Wie passend, dachte er. Musik spielen. Piano. Nein, es gab kein Piano bei Shakespeare. Wenn das so weiterging, würde er es nie in seiner üblichen Zeit von fünfzehn Minuten schaffen. Oh, verdammt, dachte er. Viola aus Was ihr wollt. Na, immerhin ganz gut.
    Viola und Sebastian. Zwillinge …
    Es fing an, in seinem Kopf zu arbeiten. Die nächste Viertelstunde dachte er darüber nach. Schließlich wandte er sich an Bertie und fragte: «Kann ich mir mal Arnold ausleihen?»

3
    Sie tauchte in der Grape Lane aus dem Nebel auf und ging langsam auf ihn zu. Sie war ohne Hut, und der Wind von der See fuhr ihr durch das helle Haar.
    «Kitty hat mir gerade die Sache mit Bertie erzählt», sagte Lily. «Ich habe im ‹Fuchs› mit ihr einen Kaffee getrunken. Schrecklich, einfach schrecklich.»
    Tränen glänzten in ihren Augen. «Wer kann nur so was tun?»
    Sie sah ihn traurig und zugleich erwartungsvoll an. Und wie immer war er berührt von ihrer blassen Schönheit und der Tragik, die ihr anhaftete. Er versuchte, ihr zu antworten, aber seine Lippen waren ganz taub. Endlich sagte er: «Wir wissen es nicht.»
    «Ich wollte gerade ins Café. Sie auch?»
    «Nein, nein. Ich bin auf dem Weg in die Galerie.»
    «Kommen Sie danach doch auf einen Kaffee vorbei, bitte.»
    Jury bedankte sich und blickte ihr nach. Hatte er sie nicht erst gestern in einem eleganten grünen Samtanzug auf einer braunen Stute gesehen? Er blickte noch immer auf die Stelle, wo sie, vom Nebel verschlungen, verschwunden war.

4
    Die graugestreifte Katze versuchte, die Schneeflocken zu fangen, die gegen die Fenster der Galerie Rackmoor stoben und zerschmolzen. Sie fuhr mit den Pfoten immer wieder gegen das Glas und ließ sich bei diesem frustrierenden Unterfangen auch dann nicht stören, als es an der Tür klingelte und Jury hereinkam.
    Drinnen war es kaum dunkler als draußen. Es hatte zu schneien angefangen, als Jury Berties Haus verlassen hatte, und Rackmoor lag nun in dämmrig-düsteres Dunkel gehüllt da.
    Aus der kleinen Küche im hinteren Teil hörte man Gepolter – vielleicht war eine Pfanne heruntergefallen –, danach einen Schwall von Obszönitäten, gefolgt von ein paar falschen Pfeiftönen. «Mr. Rees!» rief Jury.
    Adrian erschien. In dem schwachen gelben Licht der Küche war nur seine Silhouette zu erkennen. «Ah, Inspektor! Gerade zur rechten Zeit, um mein bescheidenes Frühstück aus getrocknetem Haferkuchen mit mir zu teilen. Das, was die arme kleine Jane Eyre in ihrer fürchterlichen Schule essen mußte. Na ja, eigentlich brate ich mir ja Eier mit Speck, aber Tage wie diese schlagen mir immer ein wenig aufs Gemüt. Was gibt’s?»
    «Ich würde gern noch einmal das Bild sehen, das Sie von der Temple gemalt haben.»
    «Endlich ein Kunde! Wieviel wollen Sie dafür

Weitere Kostenlose Bücher