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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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wird und vor Gericht gegen Sie verwendet werden kann.»
    Einen Moment lang ließ ihr Schweigen den Raum ganz weiß erscheinen. Allein das Geräusch der Schneeflocken, die gegen die Scheibe klatschten, unterbrach die Stille. Wiggins hatte sein Notizbuch hervorgeholt.
    Dann fing sie an zu lachen. Ein Lachen, bei dem man eine Gänsehaut bekam. Sie schien unter dem Gelächter zusammenzubrechen und ließ sich auf einen Stuhl fallen. «Und wer wird Ihr Kronzeuge sein, Inspektor?» Sie schluckte mehrmals. «Dieser Hund ?»
    Das Gelächter klang echt. Das war es auch, was Jury so schrecklich daran fand. «Nein. Obwohl er einen besseren abgeben würde als so mancher, den ich kenne.»
    Als sie vom Stuhl aufsprang, sagte Jury: «Setzen Sie sich.»
    «Ich hätte gern ein Glas Wasser.»
    «Sergeant Wiggins wird Ihnen welches holen.» Auf dem Eßtisch neben dem Seitenfenster standen ein Krug mit Wasser und Gläser. Wiggins goß ihr ein Glas ein und brachte es ihr.
    Während sie daran nippte, sah sie Jury über den Rand des Glases an. Noch nie hatte er so veränderliche Augen gesehen – blaß wie das Mondlicht, golden wie ein Schmetterling, blau wie Kornblumen.
    «Sie scheinen vergessen zu haben», sagte sie, «daß mich jemand töten wollte.» Ihre Stimme war weich; auf ihren Lippen spielte ein Lächeln.
    «Das war Ihr geschicktester Zug. Sich selbst als Opfer hinzustellen. Wer würde schon darauf kommen, daß das Opfer der Mörder ist? Aber diese Geschichte haben Sie uns erzählt, nicht wahr?»
    Lily lächelte enervierend gelassen. «Ich hatte aber kein Motiv, oder? Ganz zu schweigen von einer Gelegenheit …» Sie war aufgestanden; Jury ließ sie zwischen den Tischen umhergehen, hier mal ein Glas zurechtrücken, dort mal das Besteck, als ob Jury und Wiggins tatsächlich nur gekommen seien, um einen Kaffee zu trinken. Jury hätte jetzt sowieso keinen trinken können; seine Kehle war wie zugeschnürt, sein Mund ausgetrocknet.
    «Sie hatten das beste Motiv von allen. Als die Enkelin von Colonel Crael hätten Sie Millionen geerbt.»
    Sie sah von einer Serviette zu ihm auf, die sie mit vollkommener Selbstbeherrschung gerade neu faltete. «Das ist ja absurd.»
    Er war beeindruckt; sie zuckte nicht einmal mit der Wimper. «Wie lange wissen Sie es schon? Noch nicht sehr lange, würde ich sagen. Aber Olive Manning wußte es; sie war ja Lady Margarets Vertraute gewesen. Ihre Mutter brachte sich wegen Rolfe Crael um, nicht wahr? Rolfe, der sich von seiner Mutter so einfach wegschleppen ließ. Und der Diebstahl der Juwelen …»
    Sie riß sich derart schnell und wütend den Ring vom Finger und warf ihn nach Jury, daß dieser erst bemerkte, was geschehen war, als er das «Ping» auf dem Boden hörte. «Er hat ihn ihr geschenkt! Geschenkt! Ein Datum und ihre Initialen sind eingraviert, die meiner Mutter und … von Rolfe Crael! Zur Hölle mit ihnen, sie haben sie in den Tod getrieben. Und wenn jemand einen Anspruch auf das Geld, das Haus, die gesellschaftliche Stellung, den Namen hat, dann ich. Ich bin Lily Crael!»
    Jury packte sie an den Schultern. Sie war vollkommen steif. Er dachte schon, daß sie sich wieder unter Kontrolle hatte, als ihre Hand hochfuhr und ihre Nägel wie kleine Messer sein Gesicht zerkratzten. Er fühlte das Blut hervorsickern. Wortlos drückte er sie auf einen Stuhl, während Wiggins den seinen umwarf, um Jury zu Hilfe zu eilen. «Schon gut.» Jury nahm das Taschentuch, das Wiggins ihm hinhielt.
    Sie saß schweigend da. Wie bei einer Wahrsagerin stand in der Mitte des Tisches die Kristallkugel, die sie zur Unterhaltung der Kunden mitgebracht hatte. Sie lag auf einem kleinen Ebenholzfuß in einer Mulde aus schwarzem Samt. Lily betrachtete sie, als könne sie darin ihre Zukunft sehen.
    Jury preßte das Taschentuch gegen sein Gesicht und nahm sie sich wieder vor. Wiggins hatte sich an den nächsten Tisch zurückgezogen und hörte aufmerksam zu, sein Notizbuch aufgeschlagen vor sich. «Es war kein Problem für Sie, das Dachdeckerwerkzeug aus Percy Blythes Haus zu holen; Sie sind ja schließlich Freunde.»
    Lily zerrte eine Zigarette aus einem kleinen Zigarettenhalter und hielt sie an ihre Lippen. «Ich weiß nicht, wovon Sie reden.»
    «Natürlich wissen Sie das. Ich gebe Ihnen Feuer, wenn es Ihnen möglich ist, Ihre Hände von meinem Gesicht fernzuhalten.» Er lächelte fast und zündete ein Streichholz an.
    «Sie sind ein sehr cleverer Bulle.» Sie ließ ihren Blick über sein Gesicht gleiten und sagte: «Es tut mir

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