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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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haben Sie ihm das geglaubt?»
    Erstaunt blickte sie ihn an. «Warum nicht, warum hätte er lügen sollen?»
    «Fanden Sie es denn nicht merkwürdig, daß Dillys einfach abhaute und das ganze Geld sausenließ, das sie einmal geerbt hätte?»
    «Wollen Sie damit sagen, daß diese Person Dillys war?»
    «Nein. Es war nur eine Frage. Sie haben Inspektor Harkins erzählt, der Mörder von Gemma Temple hätte es eigentlich auf Sie abgesehen. Was ist denn das für eine Geschichte, Miss Siddons, können Sie mir das erklären?»
    «Irgend jemand hat versucht, mich umzubringen.» Sie lehnte sich mit einem matten Seufzer zurück und blickte ins Feuer. Die Flammen verliehen ihrer blassen Haut einen goldenen Schimmer, ließen ihre bernsteinfarbenen Augen aufleuchten und zauberten goldene Streifen auf ihre Seidenstrümpfe. Ihre Beine waren, wie Jury bemerkte, sehr wohlgeformt. Sie reizte jedoch weniger seine Sinne als seine Neugierde. In dieser Umgebung erschien sie ihm wie ein seltener Schmetterling, der sich in ein fremdes Gebiet verirrt hatte. Eine goldgelbe Wolke in einem kalten Klima.
    «Erst passierte diese Sache beim Reiten. Das war letzten Oktober – ich hatte Red Run gesattelt – das ist das Pferd, das mir der Colonel zur Verfügung gestellt hat – und sprang mit ihm bei Tan Howe über eine Mauer; dabei wäre ich beinahe in einer großen Heugabel gelandet, die jemand auf der anderen Seite liegengelassen hatte. Ein paar Zentimeter, und das Pferd wäre darauf getreten. Das Ding lag mit den Zinken nach oben auf dem Boden.»
    «Aber hat denn jemand gewußt, wohin Sie reiten würden – angenommen, die Gabel wurde mit voller Absicht dort liegengelassen?»
    «Das ist es ja gerade. Ich hatte an dieser Stelle schon öfters mit Red Run geübt. Während der Jagd ist er nämlich ein paarmal vor der Mauer stehengeblieben, und ich versuchte, ihm die Angst zu nehmen. Damals glaubte ich natürlich, es sei purer Zufall gewesen. Ich hab dem Colonel davon erzählt, und er sagte, er wolle dafür sorgen, daß das nicht mehr passiert. Er war außer sich.»
    «Und was passierte als nächstes?»
    «Das war dann drei oder vier Wochen später, im November. Die Bremsen meines Autos fielen aus. Ich hatte den Wagen auf dem oberen Parkplatz gleich am Ortseingang abgestellt. Kennen Sie ihn?» Jury nickte. «Ich benutze das Auto eigentlich nie im Dorf. Es war wirklich eine Ausnahme, ich wollte etwas einladen – ein paar Torten und Kuchen für ein Kirchenfest in Pitlochary. Als ich dann im Auto saß, erinnerte ich mich, daß ich noch ein paar Einkäufe in Whitby erledigen wollte. Ich fuhr also nicht den Berg runter, sondern in die andere Richtung. Gott sei Dank. Sie haben ja gesehen, wie steil der Hang ist. Ich wäre gegen die ‹Glocke› gerast. Was das alles zu bedeuten hatte, wurde mir aber erst klar, nachdem diese Sache mit Gemma Temple passiert ist. Es waren keine Zufälle, diese ersten beiden Male. Die Leute hier haben gewußt, daß ich an diesem Tag den Wagen nehmen würde.»
    «Wer wußte das?»
    Ungeduldig sagte sie: «Viele. Kitty Meechem und ich haben im ‹Fuchs› darüber gesprochen. Adrian stand daneben, und die Craels wußten es auch. Ich hatte es bei dem Essen erwähnt.» In der Dämmerung sah ihr Gesicht wächsern aus. Das Feuer war die einzige Lichtquelle.
    «Sie denken also, es war das Kostüm?» Sie nickte. «Warum hat Gemma Temple Ihr Kostüm getragen?»
    «Bei diesem Essen hatte der Colonel erwähnt, daß Gemma Temple kein Kostüm habe; er fragte mich, ob ich ihr nicht eines leihen könne. Maud sagte, wir – Maud und ich – könnten auch als Sebastian und Viola aus Was ihr wollt gehen. Das kam uns ganz passend vor. Also überließ ich es ihr.»
    «Warum ist sie denn nicht als Viola mit Mrs. Brixenham losgezogen?»
    Lily zuckte die Achseln. «Sie war fremd hier und hat Maud ja auch kaum gekannt.»
    «Und warum ging sie nicht mit Ihnen zusammen auf das Fest? Kitty Meechem sagte, sie sei erst nach zehn aus dem Haus gegangen?»
    Lily lachte. «Das ist doch offensichtlich. Sie wollte ihren Auftritt haben – für sich.» Ihre Stimme klang bitter. «Schauspielerin! Eine aufgedonnerte kleine Verkäuferin, weiter nichts.»
    «Dann wußten also alle, die bei dem Essen waren, daß Sie nicht das schwarzweiße Kostüm tragen würden?»
    Lily schüttelte den Kopf. «Nein. Nur Maud und der Colonel. Die andern waren gerade nicht im Raum, als wir darüber sprachen. Auf der Party wurde mir jedenfalls schlecht. Ich glaube, es waren die Brote

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