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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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wieder auf den Weg. Ich hab noch eine Verabredung.»
    «Und ich muß arbeiten, Percy. Bis später. Los, Arnold, komm schon!»
    Erschrocken fuhr Melrose zusammen; eine Katze, die Berties Befehlston aus dem Schlaf gerissen hatte, war plötzlich von einem der Regale heruntergesprungen. Melrose hatte geglaubt, sie sei ausgestopft. Er ging auf die Tür zu.
    «Fragen Sie Evelyn», sagte Percy Blythe.
    Melrose blickte zurück, aber Percy Blythe war damit beschäftigt, die Muscheln in Beutel zu füllen; die geheimnisvolle Botschaft schien nie über seine Lippen gekommen zu sein.

10
    Das Gesicht des Mädchens, das ihm die Tür öffnete, war zu schmal, um nach traditionellen Maßstäben noch als schön zu gelten; sie war jedoch von einer zerbrechlichen Blondheit, die etwas Durchscheinendes, Gläsernes an sich hatte. Es war fünf Uhr und bereits dunkel. Zwischen Jury und dem Mädchen waberte der Nebel. Eine Petroleumlampe hinter ihr verwischte die Umrisse ihres Kleides; es war weiß, weit und formlos und sehr tief ausgeschnitten, eine Wolke, die sie einhüllte und ihr ein seltsam geisterhaftes Aussehen verlieh. Es fehlte nur noch das Talglicht in ihrer Hand, und Jury hätte sich in ein Schauermärchen versetzt gefühlt.
    «Miss Siddons?» Jury zeigte seinen Dienstausweis. «Ich bin Richard Jury. Kriminalpolizei. Ich hoffe, ich komme nicht sehr ungelegen. Ich hab ein paar Fragen.»
    «Oh.» Sie nahm das Kleid in der Taille zusammen, als wäre ihr vor allem seine Weite peinlich. «Ich war gerade dabei, dieses Kleid hier abzustecken. Ich hab keine Schneiderpuppe und hab’s mir deshalb selbst übergezogen. Soviel gibt’s da aber gar nicht abzustecken. Kommen Sie doch rein.» Er leistete ihrer Aufforderung Folge, und sie schloß die Tür hinter ihm. «Ich zieh mich schnell um, wenn Sie nichts dagegen haben.»
    Er sah die Nadeln, die den Ausschnitt und die Schultern markierten. «Sie haben es selbst genäht?»
    «Nicht für mich. Für eine Frau aus dem Dorf. Ich mach das ab und zu. Im Winter, wenn im Café nichts los ist. Mir gehört das Café ‹Zur Brücke›.»
    Jury nickte. «Ich weiß. Das Kleid steht Ihnen aber ausgezeichnet.» Er konnte jetzt auch sehen, wie ungewöhnlich ihr Gesicht war. Dreieckig mit bernsteinfarbenen Augen. Ihre Haut schimmerte wie Perlmutt.
    Ihre Hand bedeckte den Ausschnitt; offensichtlich hatte sie bemerkt, daß Jurys Blick weitergewandert war. «Es dauert nur eine Minute, wirklich», sagte sie so besorgt, als könnte nach einer Minute eine Katastrophe über sie hereinbrechen. Er nickte, und sie lief aus dem Zimmer und die Treppe hoch.
    Jury schaute sich in dem Wohnzimmer um, das mit gemusterten Chintzsesseln und allem möglichen Krimskram vollgestopft war. In jeder Ecke Nippsachen und Bilder – Tische, Regale, Simse, alles war vollgestellt mit Tassen und Untertassen, Krügen aus geriffeltem Glas, kleinen Porzellandosen. Überrascht entdeckte er auf einer Unterlage aus schwarzem Samt eine Kristallkugel. Er nahm sie in die Hand, drehte sie und starrte in ihre Tiefen, konnte aber nichts Schicksalsträchtiges herauslesen. Er legte sie wieder auf ihre samtene Unterlage. Neben ihr befanden sich bemalte Souvenirs aus Bognor Regis, Tunbridge, Southend-on-Sea, alles ehemalige Seebäder, in denen früher die Damen der Gesellschaft mit ihren Sonnenschirmen und Fächern die Strandpromenade entlangspazierten; inzwischen waren sie jedoch durch Rummelplätze und dicke kleine Kinder mit Plastikeimerchen ersetzt worden. Auch Tische und Wände waren mit Fotografien bepflastert, und viele davon schienen in diesen Seebädern aufgenommen worden zu sein. Eines zeigte eine junge Frau in einem altmodischen Kleid aus den Fünfzigern; sie stand auf dem Pier und hielt ihren Hut fest. Es mußte ein windiger Tag gewesen sein; die Brise hatte ihren Rock aufgebläht, und sie versuchte, ihn sittsam mit ihrer freien Hand festzuhalten. Für einen Schnappschuß war das Foto sehr gut gelungen; es war zumindest besser als die andern, die auf dem Tisch herumstanden, da es so frisch und lebendig wirkte und das Mädchen auch außergewöhnlich hübsch war. Als er es sich aber genauer anschaute, stellte er fest, daß die Bildkomposition überhaupt nicht stimmte und daß sie praktisch am linken Bildrand klebte. Er stellte das Bild wieder an seinen Platz zurück und studierte die anderen Fotos in den rechteckigen und ovalen Rahmen. Die meisten zeigten dieselbe Frau, jedoch an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten. Eines war im Old

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