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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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konnte.
    «Im Augenblick ist er noch in London. Er wird aber bald zurückkommen. Er hat mir noch gesagt, ich soll auf dich aufpassen.»
    Ihr Blick verriet, was sie von dieser Idee hielt.
    «Komm schon.» Er zog sie zu dem Ständer mit den Chips, ging hinter den Tresen und holte eine Zitronenlimonade hervor. Vielleicht würde sie ihr Elend vergessen, wenn sie den Mund voll hatte. «Wer hat denn gewußt, daß du dort warst?»
    Emily zuckte die Achseln. «Viele. Ich füttere jeden Sonntagabend die Pferde. Da.» Der kolorierte Plan hatte die ganze Zeit über in ihrer Tasche gesteckt, er war ganz feucht und zerknittert und völlig verschmiert.
    Er blickte von dem Plan zu ihr. «Wann hast du denn das gemacht?»
    Sie erzählte es ihm, während sie den letzten Chip aus ihrem Beutel fischte.
    «Hast du das jemandem gezeigt?»
    «Polly. Wir haben auch rausgekriegt, was es bedeutet. Das Underground-Netz. Ich versteh nur nicht, wie jemand auf die Idee kam, das so umständlich zu zeichnen. London ist wirklich eine tolle Stadt. Ich komm nur nie hin!» Sie stieß einen dramatischen Seufzer aus und warf Melrose einen anklagenden Blick zu, als wäre er verantwortlich für ihr Landpomeranzendasein.
    «Hast du mit jemandem darüber gesprochen?»
    Emily hatte aus dem leeren, knisternden Beutel einen Ball geformt, den sie auf ihrer flachen Hand auf und ab hüpfen ließ.
    «Hör auf damit und hör zu!»
    Sie legte die Stirn in tiefe Falten und rutschte auf ihrem Stuhl herum. «Regen Sie sich mal nicht auf. Ich hab nur mit Mrs. Lark darüber gesprochen.»
    Die Köchin der Bodenheims. Wunderbar. Wahrscheinlich hatte sie es sofort der ganzen Familie erzählt.
    Er schaute sie an und fragte sich, was er tun sollte. Junge Damen in Bedrängnis fielen nicht in sein Ressort. Er erwartete, daß in solchen Fällen Mütter, Krankenschwestern oder alte Köchinnen zur Stelle waren. Emilys Mutter schien wie üblich nicht erreichbar zu sein. Mary O’Brien hatte er ebenfalls nicht gesehen. Polly Praed? Er schlug Polly vor.
    «Nein!» Eine Silbe, die wie eine kleine Explosion klang. «Ich möchte mit niemandem sprechen.» Sie war hinter die Bar gegangen, um nach ihrem Malbuch und den Buntstiften zu schauen. Als sie alles gefunden hatte, setzte sie sich ganz zufrieden auf einen der Hocker; die schrecklichen Stunden, die sie durchlebt hatte, schien sie völlig vergessen zu haben.
    «Du sprichst doch mit mir.»
    «Das ist was anderes.»
    Das konnte entweder bedeuten, daß er überhaupt nicht zählte oder daß er nun der erlesenen Gesellschaft angehörte, die bislang aus Superintendent Jury und irgendwelchen Pferden bestanden hatte. «Ich weiß dein Vertrauen zu schätzen.»
    Ihr Blick hätte jemanden, der sie nicht kannte, zur Salzsäule erstarren lassen. «Nur weil Sie hier fremd sind und weil Sie nicht reiten – Sie können’s also nicht gewesen sein.»
    Was bedeutete, daß er sich unter anderen Umständen als der geborene Killer entpuppen könnte.
    «Du denkst doch wohl nicht, daß es Polly war?» Emily antwortete nicht. «Aber das ist doch –» Er wollte lächerlich sagen, aber das Wort blieb ihm im Hals stecken.
    «Deswegen wollte ich auch nicht durch die Tür kommen. Weil ich nicht weiß, wer da alles rumsitzt.» Von der andern Seite der Wand drangen die gutmütig-brummigen, kaum unterscheidbaren Stimmen der Stammgäste zu ihnen herüber wie in Watte gehüllt.
    «Na schön, du kannst heute nacht ja auch hier schlafen. Mary O’Brien hat bestimmt ein Nachthemd –»
    «Nachthemd! So was trag ich nicht! Ich schlafe in meinen Hosen.» Sie hatte ihr grünes Bambi fertig ausgemalt und schlug die Seite um.
    Melrose stand auf. «Ich verständige die Polizei.»
    «Ich spreche nur mit dem von Scotland Yard.»
    «Mr. Jury ist in London. Ich ruf mal in Hertfield an. Vielleicht ist Peter –»
    Sie sah mit stählernem Blick von dem Eichhörnchen auf, das sie gerade blau ausmalte, und sagte: «Nur mit Mr. Jury.»

Dritter Teil
    Musik
und Erinnerung

24
    Um dieselbe Zeit unterhielt sich Jury mit sechs andern Polizeibeamten, darunter auch Wiggins, die am Sonntagabend in die Station Wembley Knotts beordert worden waren.
    «Schlimme Sache, das», sagte Kriminalinspektor Graham. «Aber was veranlaßt Sie zu der Annahme, daß dieser Schuft heute nacht noch vorbeikommt?»
    «Heute nacht oder morgen in aller Frühe. Wahrscheinlich aber heute nacht, weil da die Pendler noch nicht unterwegs sind. Man kann noch so früh aufstehen, immer scheint es Leute zu geben, die Punkt

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