Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd
konnte.
Um vier Uhr nachmittags war es im Bold Blue Boy gähnend leer. Obwohl Pubs um diese Zeit noch nicht öffnen durften, stand die Tür zur Bar auf. Er ging hinein und fand einen langen, niedrigen Raum mit einem riesigen Kamin vor, in dem jedoch kein Feuer brannte. Rechts von diesem Raum gab es noch einen weiteren, dessen Tür so niedrig war, daß man ihn nur gebückt betreten konnte. Er war klein und gemütlich, voll mit blitzendem Kupfergeschirr, und in dem etwas kleineren Kamin loderte ein Feuer; auf den bequemen Fenstersitzen lagen geblümte und schon leicht verblichene Chintzkissen.
Melrose setzte sich an einen der Tische, um auf den Wirt zu warten, der ihm bestimmt sagen konnte, wo Jury sich aufhielt. Er hatte immer ein Buch bei sich – gewöhnlich einen Rimbaud-Band, aber in der letzten Zeit waren Krimis an die Stelle der französischen Dichter getreten –, und auch jetzt zog er einen Krimi hervor. Bevor er jedoch anfing zu lesen, schob er den geblümten Vorhang vor dem kleinen Fenster zurück und blickte auf die Grünanlage. Er sah niemanden außer einem alten, gichtgeplagten Rentner auf dem Weg zur Poststelle.
Als er sein Buch aufschlagen wollte, hörte er ein schmatzendes Geräusch, von dem er Gänsehaut bekam. Er drehte sich um. Das kleine Mädchen stand in dem niedrigen Durchgang, sog die Wangen ein, stülpte die Lippen nach außen und machte diese kleinen Schmatzlaute.
«Mary ist einkaufen gegangen», sagte sie.
«Mary?»
«Mary O’Brien. Der gehört der Blue Boy.»
«Aha», sagte Melrose und nahm sich seine Lektüre vor. «Dann muß ich eben warten.» Er fragte sich, warum die Kleine nicht wegging.
Sie zeigte nicht die geringste Absicht, im Gegenteil, sie war gerade hinter die Bar gegangen. Da die Bar so hoch und sie so klein war, konnte er sie dort eher hören als sehen. Kurz darauf tauchte jedoch ihr heller Haarschopf über dem Tresen auf. Wahrscheinlich hatte sie sich einen Barhocker geholt, auf dem sie knien konnte.
«Möchten Sie was? Es gibt Bass und Bitter und Abbot.» Sie berührte die emaillierten Griffe der Zapfhähne.
War er hier in Littlebourne auf ein Überbleibsel aus dem Zeitalter Dickens gestoßen, in dem Kinder Schuhe putzten, Schornsteine fegten und Alkohol ausschenkten? «Das ist wohl kaum die richtige Arbeit für dich», sagte er so salbungsvoll, daß es selbst ihm auffiel.
«Ich mach das immer.»
Er seufzte und schüttelte den Kopf. «Na schön, dann gib mir mal einen trockenen Cockburns.»
Sie drehte sich zu den Flaschen um und maß den Sherry ab. «Das macht 75 Pence, bitte», sagte sie und stellte das Glas vor ihn hin.
«Fünfundsiebzig? Du lieber Himmel. In Littlebourne ist wohl die Inflation ausgebrochen!»
«Wollen Sie was zum Knabbern?»
«Nein, danke.» Er legte eine Pfundnote auf den Tisch. Sie stand da, zog die Wangen ein und gab wieder diesen Schmatzlaut von sich.
«Hör auf damit. Das verdirbt die Kieferstellung, und dein Biß leidet darunter. Außerdem fallen dir die Zähne aus», fügte er der Vollständigkeit halber hinzu.
«Tun sie auch so.» Sie schob die Oberlippe hoch und entblößte zwei Zahnlücken.
«Was hab ich gesagt!»
«Wollen Sie wirklich keine Chips? Die da sind ganz prima.»
«Ich mag keine Chips. Aber wenn –» Melrose suchte in seinen Taschen nach Kleingeld.
Sie kletterte auf einen Barhocker und nahm eine Packung Chips von einem runden Ständer. Sie riß sie auf und verschlang sie mit gerunzelter Stirn. «Möchten Sie was davon?» Anscheinend wollte sie sich von ihrer großzügigen Seite zeigen.
«Nein. Gibt es in diesem Dorf auch eine Polizeiwache?»
«Wenn Sie über die Grünanlage gehen.» Sie hatte es sich auf dem Fenstersitz bequem gemacht. «Sind Sie von der Polizei?»
«Nein, natürlich nicht.»
«Hier ist einer von Scotland Yard.» Obwohl es ihm widerstrebte, eine so winzige Person auszufragen, hakte Melrose nach: «Weißt du zufällig auch, wo er sich aufhält?»
Melrose fand die Art und Weise, wie sie mit ihren Hacken gegen die Bank trommelte, ziemlich unerträglich. «Wieder in London. Er mußte zurück. Wahrscheinlich ist er wegen dem Mord nach Littlebourne gekommen.»
Über den Rand seiner Brille sah Melrose, wie sie auf seine Reaktion lauerte. «Mord? Was ist denn passiert?»
Sie hatte ihre Chips gegessen und faltete die fettige Tüte in kleine Quadrate. «Weiß ich nicht. Möchten Sie noch eine Tüte?»
«Ich wollte nie eine. Was hat es mit diesem Mord auf sich?»
Sie zuckte die Achseln, und
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