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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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doch ein ganz nettes altes Häuschen, nicht wahr?»
    Ihre Mienen ließen erkennen, daß Stonington um einiges netter war als Rookswood. Wie magisch angezogen folgten die Blicke der beiden Bodenheim-Damen dem von Melrose, der auf die Horndean Road gerichtet war, an der irgendwo in blauer Ferne Stonington, das Traumschloß, lag. Als sie sich wieder umwandten, sah Julia Melrose mit ganz andern Augen an – die Situation mußte offensichtlich neu eingeschätzt werden. Aber Melrose ließ sie erst gar nicht zu Wort kommen. Vergnügt rief er: «Und wer kommt denn da?»
    Miles Bodenheim stapfte über den Rasen. Vielleicht hatte er sie von dem oberen Fenster aus gesehen und seine Neugierde nicht länger bezähmen können, oder er hatte Wind davon bekommen, daß die erste Familie von Littlebourne demnächst auf den zweiten Platz abrutschen könnte, und eilte herbei, um dies zu verhindern.
    «Sylvia! Julia!»
    Statt zurückzurufen, sagte Sylvia zu Melrose: «Nein, ich kann nicht glauben, daß das Ihr Ernst ist. Das kann einfach nicht sein. Lady Kennington hat das Anwesen völlig verwahrlosen lassen. Sie wissen bestimmt, daß er gestorben ist – ich meine Lord Kennington. Meiner Meinung nach paßten sie überhaupt nicht zusammen. Sie ist äußerst ungesellig. Ich nehme an, es hält sie nichts mehr hier. Aber wenn Stonington schon verkauft werden soll, dann besser an irgendeine Gesellschaft. Oder man könnte es in ein Heim umwandeln. Es würde Ihnen bestimmt nicht gefallen, dort zu leben.» Sie wandte sich ab, und die Art und Weise, wie sie eine braune Knospe vom Stengel knipste, erinnerte ihn an ein Kind, das eine Katze kneift.
    «Plant. Melrose Plant», sagte er zu dem Neuankömmling.
    «Mr. Plant trägt sich mit dem Gedanken, Stonington zu erwerben, Miles, aber wir haben ihm erklärt, daß er da einen großen Fehler machen würde.»
    «Stonington! Großer Gott, Mann. Sie würden sich wundern. So groß und so kalt wie eine Scheune. Nein, das wäre bestimmt nicht nach Ihrem Geschmack. Erst kürzlich ist dort jemand gestorben, Lord Kennington, der Eigentümer. Wer zieht schon gern in ein Haus, in dem jemand gestorben ist.»
    «Irgendwo muß man sterben», erwiderte Melrose; er fragte sich, ob Jury im Gasthof war und wie viele Mitglieder dieser Familie wohl noch wie Pusteblumensamen auf ihn zugeschwebt kommen würden.
    «Ich habe ihm gesagt, er soll sich das aus dem Kopf schlagen», sagte Sylvia abschließend. Ihr großer Hut wippte, während sie sich langsam an der Hecke entlangbewegte; ihre Züge wirkten nun noch verkniffener und ihr Teint noch grünlicher.
    «Mr. Plant geht auf die Jagd», sagte Julia. «Sie haben Ihre Meute erwähnt. Und Sie haben von Ställen gesprochen.»
    Melrose kickte eine Knospe aus dem Weg. Sie landete auf dem Schuh des Bodenheimschen Familienoberhaupts. Vorsicht war geboten; er hatte keine Ahnung von der Jagd, ein fürchterlicher Sport seiner Meinung nach. «Ja, ich gehe gelegentlich auf die Jagd. Aber nur in Irland. Mit den Black and Tans. » Er fragte sich im nachhinein, ob das Jagdhunde waren oder eine eingegangene Splittergruppe der IRA.
    «Wann wollen Sie denn einziehen?» fragte Julia.
    «Ist wohl noch ein bißchen verfrüht, darüber zu reden. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen? Nett, Sie kennengelernt zu haben.» Melrose tippte mit dem Stock gegen seine Mütze und ging pfeifend auf dem öffentlichen Weg weiter. Er hoffte nur, daß es in Littlebourne – von Jury einmal abgesehen – auch liebenswürdigere Leute gab als diese hier.
     
     
     
    Als liebensw ü rdig h ä tte er die n ä chste Person, der er begegnete, jedoch auch nicht bezeichnet. Sie stand mitten auf dem Grünstreifen und beobachtete, wie er ihn überquerte. Tiefe Furchen durchzogen ihre Stirn, und Melrose fühlte sich etwas unbehaglich bei dem Gedanken, einem so winzigen Gesicht zu solchen Kummerfalten Anlaß gegeben zu haben.
    Es beunruhigte ihn so, daß er sich auf der anderen Seite nach ihr umschaute. Ein Fehler, den schon Lots Frau begangen hatte. Sie hatte sich nämlich auch umgedreht und starrte ihm nach – ein kleines Mädchen, das mit einwärts gedrehten Füßen dastand; ihr blondes Haar hing in Strähnen um das spitze Gesicht. Auch ihre Reitjacke hatte schon bessere Tage gesehen.
    Als er die Hauptstraße entlangging, folgte sie ihm; er spürte es eher, als daß er es sah. Die Bewohner von Littlebourne wußten wohl nichts mit ihrer Zeit anzufangen, wenn seine Gegenwart im Dorf solches Aufsehen erregen

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