Inspiration – Du sollst mein sein!
konnte sie keinesfalls etwas beitragen. Erstmals in seinem Leben als Polizist stand Rick vor dem Phänomen, dass ihn die Angehörige eines Mordopfers faszinierte. Aber nicht, weil sie ihn als Frau interessierte, sondern weil er einfach das Gefühl hatte, in ihrer Nähe ruhiger zu werden und besser nachdenken zu können.
Rick schnaubte beinahe verärgert bei diesem Gedanken. Das war völlig verrückt. Er wusste nichts über Corinne und hatte sie in einer Situation kennengelernt, die schrecklich für sie und unangenehm für ihn gewesen war. Aber er bewunderte sie für ihre Selbstbeherrschung und für den Mut, den sie bewiesen hatte. Und für die innere Ruhe, die sie zu umgeben schien.
Ohne es eigentlich zu wollen, setzte er sich in Bewegung. Der Wachmann im Foyer war derselbe, der ihnen beim letzten Besuch den Weg gewiesen hatte. Er erkannte Rick auch sofort wieder. Leutselig kam er hinter seinem Tresen hervor und ging ihm entgegen.
»Hallo, Detective. Dr. Wheeler ist oben, gehen Sie ruhig hinauf. Sie ist erst vor wenigen Minuten gekommen. Hatte wieder mal Bereitschaftsdienst, wirkte ganz flügellahm, die Arme. Ist anscheinend immer ziemlich anstrengend, so eine Schicht. Ist überhaupt heute Morgen viel los im Haus. Vorhin ist schon ein Elektriker nach oben gefahren. Im vierten Stock ist wohl was mit den Leitungen nicht in Ordnung. Ist doch wieder bezeichnend, dass mir davon keiner was gesagt hat. Wozu steh ich eigentlich hier, wenn ich sowieso nicht weiß, wen ich reinlassen soll und wen nicht?«
Gesprächig ging er neben Rick her, der sich nur mit einem Nicken für die Auskunft bedankte und ansonsten den Redeschwall eher desinteressiert über sich ergehen ließ, was den Wachmann jedoch überhaupt nicht zu stören schien. Schließlich beendete die sich schließende Fahrstuhltür wirkungsvoll den Monolog. Leise surrend setzte sich die elegante Kabine in Bewegung.
Während er langsam nach oben fuhr, beschlich ihn ein komisches Gefühl. Die vorwurfsvollen Worte des Wachmanns gingen ihm noch einmal durch den Kopf. Harmlose Worte, die keinerlei Bezug zu Corinne Wheeler hatten. Rick hätte in diesem Moment nicht erklären können, warum sich plötzlich seine Nackenhaare sträubten. Es gab absolut nichts, was auch nur ansatzweise auf eine Gefahr hindeutete. Trotzdem hatte er gelernt, auf seinen Instinkt zu vertrauen. Nachdem bereits Geraldine Wheeler und Geraldines beste Freundin einem Verbrechen zum Opfer gefallen waren, lief sein inneres Alarmsystem ohnehin auf Hochtouren.
Der Wachmann hatte von einem unangekündigten Handwerker gesprochen, der irgendetwas reparieren sollte. Ein Unbekannter, ein Elektriker … wirklich? In den vierten Stock, oder vielleicht doch in den sechsten? Wer hätte das schon kontrollieren können. Der Wachmann, der an seinem Platz im Foyer des Apartmenthauses bleiben musste, bestimmt nicht.
Kaum öffnete sich die Fahrstuhltür weit genug, dass Rick hinausspringen konnte, war er auch schon unterwegs. Er versuchte, nicht zu rennen. Er ging schnell, aber er rannte nicht. Als er um die Ecke bog, sah er den Mann im blauen Overall und mit einer schwarzen Skimütze über dem Kopf, der gerade versuchte, eine offenbar bewusstlose Corinne Wheeler auf seine Schulter zu wuchten. Rick reagierte automatisch. Sein lauter Ruf »Polizei, lassen Sie sofort die Frau los!« erfolgte gleichzeitig mit dem Ziehen seiner großkalibrigen Dienstwaffe.
Der Mann mit der Skimaske blickte kurz erschrocken hoch, ließ Corinne auf den Boden fallen und rannte von Rick weg den Gang entlang in Richtung Feuertreppe. Rick sprintete los, hielt kurz bei Corinne an und kontrollierte ihren Puls. Er schlug … langsam, aber stetig. Rick hielt sich nicht länger auf und stürmte dem Unbekannten hinterher. Doch der war mittlerweile über die Feuertreppe verschwunden.
Kein Geräusch im Treppenhaus. Nicht einmal sich entfernende Schritte oder das laute Klacken einer ins Schloss fallenden Feuertür gaben Rick einen Hinweis, ob der Kerl noch in der Nähe oder überhaupt jemals dort gewesen war. Weder ein Blick nach oben noch nach unten zeigte auch nur die geringste Spur des Mannes. Er war einfach weg, wie vom Erdboden verschluckt. Unschlüssig stand Rick am Geländer, vermied selbst jedes Geräusch und hoffte darauf, dass sich der Kerl im Overall eventuell verriet. Doch nichts geschah.
Fluchend kehrte Rick dem Treppenhaus den Rücken und kümmerte sich erst einmal um Corinne, die bewegungslos auf dem Flurboden lag. Ihre Brust hob und
Weitere Kostenlose Bücher