Instinkt
hatten. »Ich war ganz friedlich auf dem Weg nach Hause, und plötzlich stürmen von überall diese Leute auf mich ein und veranstalten ein Riesengeschrei. Da bin ich ausgetickt und geflüchtet.«
»Aber die haben sich doch eindeutig als Polizisten zu erkennen gegeben?«, insistierte Tina.
»Das habe ich nicht gehört, in Ordnung?«, protestierte Kent und klang, als würde er jeden Augenblick einen hysterischen Anfall bekommen. »Ich bin einfach davongelaufen, und als sie mich gepackt haben, dachte ich, die wollten mich ausrauben oder so. Deshalb habe ich mich gewehrt. Es tut mir ja leid, dass ich die Beamten verletzt habe, aber das ist schließlich nicht meine Schuld.«
Sein Anwalt – ein junger, beflissen wirkender und vor Ehrgeiz schier platzender Pflichtverteidiger mit einer überdimensionierten Brille, auf deren Bügel der Nike-Swoosh zu erkennen war – legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. »Bleiben Sie ruhig, Andrew«, sagte er beschwichtigend. »Lassen Sie sich Zeit mit Ihren Antworten.«
Kent nickte.
So, wie er da am Tisch saß, wirkte er noch kleiner und harmloser als am Abend zuvor, als ihn Tina kurz vor der Verhaftung observiert hatte. Sein ganzes Benehmen drückte unterwürfige Angst aus, in seinen Augen spiegelte sich Verwirrung. Doch Tina hatte auch gesehen, wie er die Polizisten attackierte, die ihn festnehmen wollten, sie hatte seine kalte Entschlossenheit gespürt und ließ sich von seinem Verhalten nicht hinters Licht führen, wenngleich sie ihm insgeheim für seine schauspielerischen Fähigkeiten Anerkennung zollte.
»Für einen verschreckten Bürger haben Sie ganz schön zugeschlagen, Mr. Kent«, fuhr Tina fort. »Beide Beamten bedurften ärztlicher Behandlung, und ich musste CS-Gas einsetzen, um Sie festzunehmen.«
»Ich habe den schwarzen Gürtel in Karate«, seufzte Kent, »ich bin bereits zweimal überfallen und ausgeraubt worden, deshalb wollte ich alles tun, dass mir das nie wieder passiert und ich mich verteidigen kann, wenn mich jemand angreift. Ich trainiere seit sechs Jahren und werde mich nicht dafür entschuldigen.«
»Und mein Mandant hat sich dadurch auch keiner Straftat schuldig gemacht«, warf Jacobs, sein Anwalt, ein.
Tina ignorierte ihn. »Sie streiten also weiterhin ab, etwas mit diesen Morden zu tun zu haben?«
»Natürlich. Ich habe niemanden umgebracht, und ich verstehe nicht, wie Sie auf den Gedanken kommen …«
»Wie erklären Sie sich dann, dass Ihre DNS in den Wohnungen aller fünf Opfer gefunden wurde?«
»Das habe ich Ihnen doch schon erklärt. Weil ich bei allen die Alarmanlagen eingebaut habe.«
»Aber offenbar nicht besonders gut, Mr. Kent, wenn der Killer sie alle ausschalten konnte«, mischte sich DCI MacLeod ein.
»Nun, ich dachte, sie funktionierten einwandfrei.«
»Mein Mandant wird hier nicht zu seinen Fähigkeiten als Techniker befragt, oder?« Jacobs herrschte MacLeod mit einer Autorität an, die einem doppelt so alten Mann gut zu Gesicht gestanden hätte.
Doch MacLeod ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Halten Sie es nicht für einen zu großen Zufall, dass die Alarmanlagen aller fünf Opfer von Ihnen eingebaut wurden? Was glauben Sie, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist?«
»Sehen Sie, ich habe über die Jahre Tausende von Alarmanlagen montiert. Ich arbeite hart. Ich schaffe zwei bis drei Kunden pro Tag, von daher denke ich, dass das nicht besonders unwahrscheinlich ist.«
»Und die Wahrscheinlichkeit, dass der Killer es geschafft hat, alle Ihre Installationen zu überwinden?«
Kent beharrte erneut auf seiner Unschuld, und Jacobs sprang ihm wieder mit der Begründung bei, es ginge hier nicht um die handwerklichen Fähigkeiten seines Mandanten.
»Wieso wurde dann Ihre DNS in den Schlafzimmern von vier der fünf Opfer gefunden?«, fragte Tina, die langsam zur Sache kommen wollte.
»Während ich die Anlagen installierte, hatte ich zu allen Zimmern Zugang, ich musste die Sensoren ja in den einzelnen Zimmern anbringen.«
»Aber Sie haben in keinem der Schlafzimmer einen Sensor angebracht. Das haben wir überprüft. Und keiner Ihrer Auftraggeber ist der Meinung, dass Sie sich in den Schlafzimmern hätten aufhalten müssen. Was hat Ihre DNS also dort zu suchen?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Kent. »Vielleicht wurde sie aus den anderen Räumen eingeschleppt. Ist so etwas nicht möglich?«
Technisch gesehen war dies tatsächlich möglich, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich. Als Tina ihm das erklärte, zuckte er
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