Instinkt
war, auf die dicken Spritzer auf Laken und Wänden, die lange, auf dem dunklen Teak kaum erkennbare Blutspur am Kopfteil …
Die Kamera zoomte zurück, und das Bild wurde plötzlich schwarz. Tinas Mund war ausgedörrt, und sie merkte, dass sie manisch die Hände aneinanderrieb, bis es fast wehtat. Sie brauchte einen Drink. Eine Flasche guten Rioja und ein paar Wodkas als Verstärker. Irgendwas, um diesen Horror zu vergessen.
Der Schirm wurde wieder hell, und diesmal war die Kamera etwa einen Meter neben Adriennes Kopf leicht erhöht fixiert worden. Wahrscheinlich hatte der Täter sie auf den Nachttisch gestellt, obwohl Tina sich nicht daran erinnern konnte, ob Adrienne einen Nachttisch besessen hatte. Adriennes Kopf bewegte sich unkontrolliert hin und her, trotz des Knebels war ihr Stöhnen laut und durchdringend. Im Hintergrund war leise Musik zu hören. »Beautiful Day« von U2. Tina würde den Song nie mehr hören können, ohne an diese Bluttat denken zu müssen.
Wie aus dem Nichts tauchte der Hammer auf und traf Adrienne voll im Gesicht. Im Ausschnitt der Kamera waren nur der Kopf des Opfers und der Hammer erkennbar.
Tina zuckte zusammen und wandte sich ab. Sie hatte in ihrer Karriere schon einige schreckliche Dinge gesehen, sogar, wie eine Frau vor ihren Augen erschossen wurde, doch dies hier war etwas anderes, denn das Ganze hatte etwas ekelerregend Voyeuristisches, als würde man dem Killer Respekt bezeugen, wenn man sich den Film ansah.
Sie hörte das knirschende Geräusch des Hammers, der wieder und wieder auf Adrienne niederging, aber es war nicht das, was Tina später verfolgen würde, sondern die überraschend lauten, gurgelnden Schmerzlaute, die Adrienne im Todeskampf von sich gab.
Tina zwang sich hinzusehen, redete sich ein, es sei Teil ihres Jobs, die Beweismittel auszuwerten. Gebannt heftete sie ihren Blick auf den Bildschirm, blendete die Welt ringsherum aus. Das bestialische Gemetzel schien endlos zu dauern, auch wenn sie später feststellte, dass der Film insgesamt nur sieben Minuten und zwanzig Sekunden lang war und danach noch andere Dinge zeigte, die der Killer mit seinem Opfer anstellte, unfassbare sexuelle Handlungen, die sie bereits im Autopsiebericht gelesen hatte. Doch während der gesamten Aufnahme war von dem Täter nicht das Geringste zu sehen, nicht einmal eine behandschuhte Hand, die den Hammer umfasste. Selbst auf dem Höhepunkt seines Blutrausches hatte er sich unter Kontrolle. Als er fertig war und sich das, was einmal Adrienne Menzies gewesen war, nicht länger bewegte, schaltete die Kamera abrupt ab. Einfach so.
Tina schluckte schwer und starrte noch ein paar Augenblicke auf den schwarzen Monitor. Sie spürte, wie ihr Herz raste, und schämte sich dafür. Doch auch neben sich hörte sie DCI MacLeod angestrengt atmen. Der schnellte plötzlich vor und klappte das Notebook zu, als könnte er damit den Schrecken bannen, den sie gerade erlebt hatten.
»Gütiger Gott«, sagte er leise. »Was treibt diese Menschen?«
Darauf gab es keine Antwort. Tina war im Laufe ihrer Karriere schon zu vielen davon begegnet, aber das machte es nicht leichter, die Verbrechen zu verarbeiten. Angesichts der Tatsache, dass sie im Dienst einen Mann erschossen hatte und nun auch noch einer Sondereinheit beigetreten war, die einen Serienkiller jagte, hatten ihre Eltern und ihr Bruder sie in den vergangenen Monaten öfters darauf angesprochen, ob dieser Job sie nicht mehr auslaugte als ausfüllte. Bestimmt hatten sie Recht, doch Tina war weder willens noch in der Lage, einen Job aufzugeben, den sie gleichzeitig liebte und hasste, selbst wenn sie dem ständigen Druck kaum mehr gewachsen war.
»Der Hammer sah aus wie der, den wir in Kents Wohnung gefunden haben, oder?«, fragte sie schließlich in die Runde.
»Das kann man unmöglich mit Bestimmtheit sagen, und genau das würde uns die Verteidigung im Prozess unter die Nase reiben. Wahrscheinlich gibt es Hunderte solcher Hämmer.«
»Aber die Tatsache, dass Adriennes DNS sich auf dem Hammer und die Aufnahme von ihrer Ermordung sich auf seinem Notebook befanden, ist nicht so einfach wegzudiskutieren.«
Tina schüttelte den Kopf. Sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie auch nur einen Moment lang Kents Täterschaft angezweifelt hatte. Er zählte einfach zu den besseren Schauspielern, denen sie im Laufe der Jahre im Vernehmungsraum begegnet war, und sie hätte sich daran erinnern müssen, dass wahre Psychopathen ja eben das waren: perfekte
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