Instinkt
nur hilflos mit den Schultern und sagte, er könne es sich sonst nicht erklären.
»Soweit man uns mitgeteilt hat, wurden die Opfer sexuell missbraucht, ehe man sie brutal ermordet hat. Wurden DNS-Spuren, die man, wie Sie sagen, in den Schlafzimmern gefunden hat und die Sie meinem Mandanten zuordnen wollen, auch an einer der Leichen gefunden?«, fragte Jacobs mit einer Mischung aus Skepsis und Überdruss.
Tina und MacLeod sahen sich kurz an. Hier lag ihr großes Problem. Der Killer hatte die Leichen sorgfältigst mit Chlorbleiche gereinigt, und bis jetzt hatte man noch keine DNS-Spuren feststellen können.
»Nein«, gab MacLeod widerstrebend zu. »Aber das hat nichts zu bedeuten.«
»Hat es wohl, DCI MacLeod, denn mein Mandant hat Ihnen gerade eine völlig zureichende Erklärung gegeben, weshalb sich seine DNS in den Schlafzimmern einiger der Opfer befunden haben mag. Wenn Sie also keine weiteren Beweismittel vorlegen, muss ich Sie auffordern, ihn unverzüglich auf freien Fuß zu setzen.«
Tina schenkte Kent einen eisigen Blick.
»Erzählen Sie uns doch etwas über den Hammer, Mr. Kent.«
Kents Augen weiteten sich vor Schreck. »Welcher Hammer? Wovon reden Sie da?«
»Der Hammer, den wir in Ihrem Schlafzimmer gefunden haben. Der Hammer, der mit Blut und Gehirnresten verschmiert war, die, wie wir soeben erfahren haben, von Ihrem letzten Opfer, Adrienne Menzies, stammen. Der Hammer, an dessen Stiel sich Ihre DNS befindet.«
Kent schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Das kann nicht sein.«
»O doch. Das Labor hat die Tests zweimal durchgeführt. Um ganz sicherzugehen.«
»Ich … ich weiß nichts von einem Hammer«, stotterte er. »Wirklich nicht, lieber Gott, das kann doch nicht wahr sein.« Verzweifelt sah er zu Jacobs, den diese Enthüllung ebenfalls aus dem Gleichgewicht gebracht zu haben schien, denn er starrte seinen Mandanten mit offenem Mund an. Der wandte sich wieder an Tina und MacLeod. »Ich bin unschuldig. Ich schwöre es. Da will mir jemand was anhängen.«
Er wirkte wie ein verängstigtes Kind, zumal er kaum größer war als Tina und schmächtiger als die austrainierte Polizistin. Und unter der Last der Beweise schrumpfte er auf seinem Stuhl förmlich zusammen. Zum ersten Mal beschlichen Tina Zweifel, dass sie den richtigen Mann erwischt hatten. Alle Beweise sprachen gegen ihn, doch Tina wunderte sich über seine Reaktion. Er vermittelte tatsächlich den Eindruck, unschuldig zu sein. Die meisten Verdächtigen, die sie verhört hatte, waren es nicht. Und die, die schuldig waren, neigten dazu, ihre Antworten auf ein Minimum zu beschränken und sich in monotonen »Kein-Kommentar« -Floskeln zu ergehen. Andrew Kent dagegen benahm sich wie ein gewöhnlicher Mensch, der in eine furchtbare Lage geraten ist, auf die er keinen Einfluss hat.
»Dann erzählen Sie uns, wer Sie Ihrer Meinung nach hereinlegen wollte«, forderte ihn MacLeod auf. Seine Skepsis war unüberhörbar.
»Ich sage Ihnen doch. Ich habe keine Ahnung. Ehrlich nicht. Wenn ich so etwas getan hätte, warum sollte ich die Mordwaffe dann bei mir zu Hause aufbewahren? Das wäre ja irrsinnig …«
Als er aufsah und in die Gesichter der Polizisten blickte, blieben ihm die Worte im Hals stecken.
Tina wollte gerade etwas erwidern, aber MacLeod berührte ihren Arm und schüttelte den Kopf. »Also gut, Mr. Jacobs, ich nehme an, Sie benötigen etwas Zeit, um mit Ihrem Mandanten die jüngste Entwicklung zu besprechen. Vernehmung unterbrochen. Zeit: Elf Uhr sechsundvierzig.«
Er stand auf und bedeutete Tina, ihm nach draußen zu folgen.
»Wir hatten ihn auf dem Präsentierteller. Warum haben Sie abgebrochen?«, fragte Tina, als sie im Flur waren.
»Es gibt neue Entwicklungen. DC Grier hat mich gerade über den Ohrhörer erreicht. Offenbar hat er etwas, das wir uns ansehen sollten.«
»Einzelheiten?«
»Noch keine«, erwiderte er und sah sie ernst an. »Aber sein Ton hat mir nicht gefallen.«
FÜNF
Als Tina Boyd und MacLeod den Konferenzraum im dritten Stock der Holborn Station betraten, von dem aus das CMIT die Ermittlungen im Fall des Night Creepers koordinierte, herrschte dort absolutes Schweigen.
Ein halbes Dutzend Ermittler, die alle an der Verhaftung von Andrew Kent beteiligt gewesen waren, saß in einem lockeren Kreis um ein 17-Zoll-Powerbook, das sich auf einem Schreibtisch in der Mitte des Raumes befand. DC Grier stand dem Notebook am nächsten, er war blass und sah mitgenommen aus. Sein Adamsapfel war von Kents Karateschlag noch
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