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Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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meisten Berufsverbrecher, mit denen ich es in den letzten Jahren zu tun gehabt hatte, verschwendete er keine Zeit darauf, sein Opfer zu bemitleiden, schon gar nicht, wenn es eine Uniform trug. Ich fragte mich, ob er so auch auf den Tod meines Bruders reagiert hatte. Was passiert ist, ist passiert. Ein Zucken seiner mächtigen Schultern, und fertig. Kein Gedanke, was meiner Familie angetan worden war.
    »Vollkommen richtig, Tommy«, erwiderte Wolfe. »Was passiert ist, ist passiert. Clarence hat getan, was er tun musste. Wenn ich versucht hätte, ihn umzuhauen, und er wieder versucht hätte, nach meiner Waffe zu greifen, wäre das Ganze völlig aus dem Ruder gelaufen. Immerhin waren’s vier Bullen, plus die Sanitäter. Wir mussten ihnen einen vor den Bug geben. So einfach ist das. Entweder dem Bullen ein Ding verpassen oder riskieren, erwischt zu werden und die nächsten zehn Jahre im Knast verbringen.« Er seufzte. »Niemandem macht es Spaß, einen Bullen umzunieten …«
    »Oh doch, mir schon«, beschwerte sich Haddock. »Ich hoffe, das Schwein ist tot. Und ich will immer noch eine Entschuldigung von diesem Flachwichser.«
    »Lass gut sein, Clarence«, sagte Wolfe und drehte sich wieder zu mir um, wobei er eine versöhnliche Miene aufsetzte. »Sean, ich bin nicht scharf darauf, einen Bullen abzuknallen, weil es viel zu viel Ärger einbringt. Aber Tatsache ist nun mal, dass wir erledigt haben, wofür wir bezahlt wurden, nämlich diesen kleinen Scheißer da unten zu schnappen.« Er deutete auf Kent, der mit geschlossenen Augen auf dem Boden lag und keinen Mucks von sich gab. Instinktiv drückte ich ihm die Mündung der Pumpgun ein bisschen fester ins Genick. Nach all den Fehlern, die ich bei dieser Ermittlung begangen hatte, würde ich nicht auch noch einen durchgeknallten Sexkiller entkommen lassen.
    Ich seufzte und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Der Minibus hatte keine Klimaanlage, und die Nacht war feucht und schwül. »Ich will den Rest meiner Kohle«, sagte ich unvermittelt. Ich hatte jetzt genug Beweismaterial, um Wolfe und Haddock dranzukriegen und meinen Bruder zu rächen. »Dann bin ich weg.«
    »Du bekommst es, sobald ich mit dem Kunden gesprochen habe.«
    Ich fragte mich, wie der Kunde es wohl aufnehmen würde, wenn er erfuhr, dass sein Racheplan zum Tod eines Unschuldigen geführt hatte. Sollte es ihm wirklich um Gerechtigkeit gehen, dürfte er bestürzt sein.
    »Dann rede jetzt gleich mit ihm.«
    »Fang nicht an, mich rumzukommandieren, Sean. Ich rede mit ihm, wenn wir ihn treffen.«
    »Und wo ist das?«
    »An einem hübschen, ruhigen Plätzchen, weit weg von irgendwelchen neugierigen Nachbarn. In einer halben Stunde sind wir da.«
    »Und wem gehört das?«
    »Wozu willst du das wissen?«
    »Weil ich sichergehen will, dass es keine Grundbucheinträge gibt, die die Polizei zu deinem Kunden führen, und von da aus zu mir.«
    »Vergiss irgendwelche Grundbucheinträge. Das Haus ist seit Jahren verlassen.«
    »Und woher weißt du das?«
    »Weil der Kunde es mir gesagt hat, kapiert?« Langsam klang Wolfe genervt. »Hör endlich mit deiner Fragerei auf. Du bekommst dein Geld später, und dann sind wir geschiedene Leute.«
    Ich schwieg, denn die nächsten Stunden würde ich höllisch auf der Hut sein müssen. Eines war sicher: Ich konnte keinem in dieser Karre trauen. Ich hatte von Anfang an ein ungutes Gefühl gehabt, aber jetzt, in der drückenden Schwüle des Minibusses, rann mir ein eisiger Schweißtropfen über den Rücken.
    Meine Befürchtungen explodierten, als Andrew Kent plötzlich den Kopf drehte, die Augen aufschlug und mich anschaute. In seinen Augen lag dieselbe Angst, die ich in denen des Streifenpolizisten gesehen hatte, kurz bevor er niedergeschossen wurde. Und dann sagte Kent etwas sehr Sonderbares.

SECHSUNDZWANZIG
    »Du bist keiner von denen, stimmt’s?« Kents Stimme klang schrill und weibisch und passte perfekt zu seinen jungenhaft weichen Zügen, die, wie ich zu einem hohen Preis hatte erfahren müssen, gefährlich trügerisch waren. Vorhin wäre er uns fast entkommen, und mein Magen schmerzte immer noch von dem Karatetritt, den er mir verpasst hatte.
    Unwillkürlich zuckte ich zusammen. Er konnte auf keinen Fall meine wahre Identität kennen. Ich war ihm noch nie begegnet.
    »Was soll das heißen?«, blaffte ich ihn an.
    Wolfe fuhr in seinem Sitz herum. »Halt deine verfickte Klappe, du kleiner Wichser. Deine Scheißkommentare interessieren hier nicht. Tommy, stopf dem Drecksack

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