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Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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dranzubleiben, als wie ein hitziger Teenager hinter ihm herzujagen.
    Sie stöhnte. Sie mochte die ganze Geschichte auch drehen und wenden – es handelte sich um eine abgekartete Sache. Und sie war mit Haut und Haar darauf reingefallen.

FÜNFUNDZWANZIG
    »Warum habt ihr auf ihn geschossen? Ihr habt doch gesagt, es gibt überhaupt keinen Grund, Gewalt anzuwenden, und dann knallt dein Kumpel aus kürzester Entfernung einen Cop ab.«
    Wir waren inzwischen in das zweite Fluchtfahrzeug umgestiegen, einen klapprigen Minibus, den wir am Tag zuvor vom Parkplatz eines Altersheims gestohlen hatten – eine typische kranke Wolfe-Nummer. Er und Haddock saßen vorn, ich direkt hinter ihnen, die Mündung meiner Pumpgun in den Nacken von Andrew Kent gedrückt. Der lag mit dem Gesicht nach unten im Fußraum zwischen den Sitzen, hatte die Augen fest geschlossen und schwieg verbissen, verzweifelt bemüht, keines unserer Gesichter anzusehen, nachdem wir die Masken abgenommen hatten. Denn damit hätte er sein Todesurteil unterschrieben. Aus der Wunde an seiner Schläfe tröpfelte noch ein bisschen Blut, und die Seite des Gesichts, an der ich ihn erwischt hatte, war geschwollen und ein einziges Labyrinth blutiger Rinnsale. Tommy saß hinter mir und rauchte schweigend.
    Den Transporter hatten wir kaum eine Meile vom Schauplatz der Entführung entfernt auf einem verlassenen Parkplatz hinter einer Reihe von Sozialpalästen in Islington abgestellt und angezündet, um alle forensischen Spuren zu zerstören.
    Wolfe zufolge gab es in dieser Gegend keine CCTV-Kameras, und da uns niemand gesehen hatte, wie wir das Fahrzeug wechselten, war der Minibus, in dem wir seit einer Viertelstunde durch den Londoner Verkehr Richtung Nordwesten fuhren, sauber.
    Die ganze Zeit hatte ich in brütendem Schweigen dagesessen, immer noch schockiert von dem, was gerade geschehen war. Verzweifelt suchte ich nach einer Möglichkeit, die Sache unter Kontrolle zu bekommen. Ich musste mehr über Wolfes nächste Schritte herausfinden, damit ich die Polizei an den Ort der Übergabe Kents dirigieren konnte. Zunächst aber musste ich meiner Wut auf die Männer freien Lauf lassen, die ohne mit der Wimper zu zucken einen Kollegen niedergeschossen hatten. Und sie bei eingeschaltetem Aufnahmegerät, das nach wie vor in meiner Uhr verborgen war, dazu bringen, ihre Tat zuzugeben, damit man sie für immer in einer Zelle begraben konnte.
    Haddock fuhr, und Wolfe drehte sich ruckartig auf dem Beifahrersitz um, seine markanten mitleidlosen Züge hatten sich zu einer wütenden Fratze verhärtet. Er schielte noch heftiger als sonst und funkelte mich bösartig an. »Er hat einen verpasst bekommen, weil er auf mich losgegangen ist. Kapiert?«
    »Du hattest den Typen doch längst abgeschüttelt«, gab ich zurück. »Er hat sich nicht einmal mehr gewehrt. Da hättest du es gut sein lassen können. Oder wenn du Schiss hattest, ihm eine mit dem Kolben mitgeben. Aber nein. Stattdessen jagt ihm dieses Arschloch hier eine Ladung Schrot rein, und jetzt sind alle Bullen im Umkreis von hundert Kilometern hinter uns her. Und zwar nicht nur wegen Entführung, sondern wegen Mordes. Vielleicht sogar mehrfachen Mordes, so wie du auf die Zivilstreife geschossen hast, die uns verfolgt hat.«
    »Du nennst mich Arschloch, Wichser?«, bellte Haddock, fixierte mich im Rückspiegel und nahm den Fuß vom Gas. »Dafür entschuldigst du dich, oder ich hack dir deine verfickte Birne ab.«
    Wolfe sagte ihm, er solle weiterfahren. »Wir wollen keine Aufmerksamkeit erregen. Und du«, er deutete auf mich, »entschuldigst dich. Sofort.«
    Ich erwiderte seinen durchdringenden Blick, es war mir egal, ob ich einen oder beide zur Weißglut brachte, angesichts dieser Psychopathen konnte ich meine Gefühle kaum mehr unter Kontrolle halten. Ich wollte nur noch meine Pumpgun auf sie richten, ihnen sagen, wer ich war, sie daran erinnern, was sie meinem Bruder angetan hatten, und sie dann abknallen. Stattdessen schüttelte ich wütend den Kopf. »Fickt euch! Fickt euch doch beide. Ihr habt mich hier voll in die Scheiße geritten.«
    »Langsam, langsam, Jungs, kommt mal wieder runter«, mischte sich Tommy vom hinteren Sitz aus ein. »Was passiert ist, ist passiert.«
    Er hatte vorhin schon seinem Ärger darüber Luft gemacht, dass ein Bulle niedergeschossen worden war. Doch typisch Tommy: Nach kurzem Gemecker hatte er das Ganze als Berufsrisiko abgehakt und wollte nun schnellstmöglich zum Status quo zurückkehren. Wie die

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