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Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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Schleudern geriet, weil sie einem entgegenkommenden Auto auswich. »Du bringst uns um!«
    »Häng dich ans Telefon und gib das Kennzeichen durch! Den lassen wir nicht entwischen.«
    Der Transporter überholte mit Vollgas ein weiteres Fahrzeug, konnte Tina aber nicht abschütteln. Sie war jetzt nur noch zehn, fünfzehn Meter hinter ihm und konnte bereits das Nummernschild lesen.
    Plötzlich beugte sich ein maskierter Kopf aus dem Fenster, der hinter einer Pumpgun nur halb zu sehen war. Der Mann schob seinen Oberkörper heraus und legte auf sie an. Grier stieß einen panischen Schrei aus, und Tina stieg instinktiv voll auf die Bremse. Gleichzeitig riss sie das Steuer herum und konnte sich gerade noch wegducken, ehe die Windschutzscheibe explodierte und Glassplitter auf sie herunterprasselten. Der Focus geriet ins Schleudern, drehte sich, prallte mit kreischenden Stoßdämpfern auf die Bordsteinkante und knallte, ehe er sich überschlagen konnte, seitwärts in das Schaufenster eines verlassenen Ladengeschäfts. Die berstende Scheibe flog den ahnungslosen Gästen des anliegenden Straßencafés um die Ohren. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt.
    Als der Wagen wieder auf allen vier Rädern stand, richtete Tina sich auf und schüttelte die Scherben ab. Ihr Atem kam in kurzen, heftigen Stößen. Der Focus stand jetzt entgegen der Fahrtrichtung, aber im Seitenspiegel konnte sie noch sehen, wie der Transporter um die Ecke bog und verschwand.
    An sich selbst konnte sie keine Anzeichen einer Verletzung erkennen. Dann blickte sie zu Grier hinüber, fürchtend, dass er durch ihre Schuld etwas abbekommen hatte. Doch er sah okay aus, durchgerüttelt, aber unversehrt. Erleichtert atmete sie auf. Sie hatte bereits zwei Partner verloren. Einen dritten hätte sie nicht verkraftet.
    Grier war sogar noch in der Lage, der Zentrale zu beschreiben, was soeben passiert war, musste allerdings einräumen, dass es ihm nicht gelungen war, das Nummernschild des flüchtenden Fahrzeugs zu erkennen.
    »Wir sichern jetzt den Unfallort«, sagte er und legte auf.
    Tina seufzte. »Bist du okay?«
    Er starrte sie wortlos an, und Tina merkte, dass er sich Mühe gab, ruhig zu bleiben, weil er – egal was ihm durch den Kopf schoss – wusste, dass sie immer noch seine Vorgesetzte war. Noch. Tina hatte schon immer als wandelnde Zeitbombe gegolten, ein Cop, der den Ärger förmlich anzog, auch wenn sie in den meisten Fällen nichts dafür konnte. Wer mit ihr zusammenarbeitete, hatte gute Chancen, dabei draufzugehen, zwei ihrer Partner waren bereits erschossen worden, und im vergangenen Jahr hatte sie selbst jemanden getötet. Es war außerhalb der Dienstzeit geschehen, und obwohl man sie in keinster Weise beschuldigt hatte, sahen einige den Vorfall als weiteren Blutfleck auf einer längst bluttriefenden Personalakte.
    Einen Streifenwagen während einer wilden Verfolgungsjagd in einem Schaufenster zu parken und dabei ein Dutzend zu Tode erschreckte Cafébesucher nur knapp verfehlt zu haben, bedeutete einen weiteren dunklen Fleck, zumal wenn sie getrunken hatte.
    Tina seufzte erneut und rieb sich die Augen. Eine Blutprobe war unausweichlich, aber erleichtert stellte sie fest, dass sie im Pub nichts getrunken hatte, und die zwei schnellen Wodkas auf dem Klo lagen schon zu lange zurück, um ihren Blutalkoholspiegel über das Limit zu heben.
    Trotzdem war sie auf dem besten Weg, ihr Glück endgültig überzustrapazieren.
    »Mit fehlt nichts«, sagte Grier leise, wobei er ein Zittern in seiner Stimme nicht verbergen konnte. »Aber warum haben Sie das getan, Ma’am? Sie hätten uns beide umbringen können.«
    Grier zählte zur neuen Spezies der Akademieabgänger, ein Schreibtischhengst, der keine Risiken eingehen wollte. Obwohl er immerhin geistesgegenwärtig genug gewesen war, die Zentrale anzurufen, hatte Tina nichts als Verachtung für ihn übrig. »Ich musste mich blitzschnell entscheiden. Und ich wollte ihn nicht verlieren.«
    »Na ja, aber Sie haben ihn verloren, Ma’am«, erwiderte er, und sie bemerkte, dass seine Hände zitterten. »Sie haben ihn verdammt nochmal verloren.«
    Daran gab es nichts zu deuteln. Sie hatte versagt. Sie hätte Kent eine bewaffnete Eskorte besorgen müssen.
    Sie hatte nicht nur die gesamte Situation falsch eingeschätzt, nun erkannte sie auch mit niederschmetternder Klarheit, dass wenn sie sich zurückgehalten und dem Transporter mit einigem Abstand gefolgt wäre, sie weitaus bessere Chancen gehabt hätte, an ihm

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