Instinkt
trauen«, brummte Haddock vom Fahrersitz.
Ich hörte mein Herz pochen und merkte in diesem Moment, dass ich einen Riesenfehler begangen hatte, denn ich hatte mir die beiden Männer, die vorne saßen, zu Feinden gemacht – und zwar endgültig. Trotzdem stank hier etwas zum Himmel. Hier ging es nicht darum, einen Sexkiller zu lynchen. Darum war es nie gegangen, und das hätte ich merken müssen. Was aber wollte Wolfe mit einem mutmaßlichen Serienmörder wie Kent? Aus dem bisschen, was geredet worden war, konnte ich schließen, dass Kent über Informationen verfügte, die so wertvoll waren, dass Wolfe ihn nicht einfach umbringen durfte. Es hatte etwas mit Wolfes Kunden zu tun. Und das musste ich hören. Ich hatte bereits genug Beweismaterial auf Band, um Wolfe und Haddock hinter Gitter zu bringen. Wenn es mir gelänge, mich mit Kent abzusetzen, könnte ich herausfinden, was er wusste, ihn den Behörden übergeben und es darauf ankommen lassen, was das wohl unvermeidliche Disziplinarverfahren bringen würde.
Aber dazu musste ich erst einmal hier rauskommen.
Ich versuchte Wolfe niederzustarren.
Er starrte ungerührt zurück.
Meine Welt war auf den Innenraum eines Minibusses zusammengeschrumpft, der nach abgestandenem und frischem Schweiß roch.
»Lass die Waffe fallen.« Ich versuchte zu klingen, als hätte ich keine Angst.
»Oder was?« Wolfe drückte Kent weiter den Lauf zwischen die Lippen. »Sonst drückst du ab? Dafür hast du nicht die Eier, Bürschchen. Ich seh’s in deinen Augen, Bürschchen, du hast es nicht drauf.«
Ich schluckte schwer, und der Schweiß lief mir in den linken Augenwinkel, so dass ich blinzeln musste.
Dann spürte ich etwas Kaltes in meinem Nacken. »Ich glaube, du lässt besser deine fallen, Sean«, sagte Tommy ruhig. »Tut mir leid, Kumpel.«
Das hatte ich von Tommy nicht erwartet. Hätte ich aber müssen, denn letztlich würde seine Loyalität immer seiner Truppe gelten.
Und irgendwie war ich erleichtert, als ich die Waffe sinken ließ. Doch das dauerte nur so lange, bis Wolfe sie mir entwand, sie umdrehte und zwischen meine Beine richtete, während er mir gleichzeitig den Lauf seiner Pistole zwischen die Augen drückte. Zum ersten Mal im Leben befand ich mich am falschen Ende von gleich drei Feuerwaffen.
»Kümmer dich um Kent«, zischte Wolfe Tommy an. »Stopf ihm endlich den Knebel rein. Und fessle ihm die Hände auf den Rücken. Der Hurensohn soll sich keinen Millimeter mehr bewegen.« Dann wandte er sich mir zu, sein Gesicht eine verzerrte Fratze puren Hasses.
Ich sagte nichts. Ich brachte nichts heraus, denn ich wusste mit absoluter Gewissheit, dass dieses kaltblütige Schwein meinen Bruder wie einen Hund abgeknallt hatte – und nun war ich an der Reihe. Ich hatte dem Tod schon mehrmals ins Auge geblickt. Scheiße, erst heute war ich gerade noch so dem Tod von der Schippe gesprungen. Aber diesmal lag die Sache etwas anders. Ich spürte die Kühle der Pistole, die sich gegen meine Stirn presste, und sah die düstere Verachtung in Wolfes Augen. Ich konnte noch nicht einmal den Trick von heute Mittag wiederholen und die Pistole wegschlagen. Nicht, wenn zwei weitere Mündungen auf mich gerichtet waren.
Wolfe legte den Sicherungshebel der Sig um. Seine Lippen verzogen sich zu einem höhnischen Grinsen, als er den Finger um den Abzug krümmte.
»Na? Nicht mehr so großkotzig, was, Seany-Boy? Mit ’ner Knarre am Kopf?«
Ich schluckte schwer, mein Herz hämmerte auf hundertachtzig, und die letzten zehn Sekunden meines Lebens brachen an. Ich fragte mich, ob auch John diesen darmzerreißenden Horror gespürt hatte, beim Warten auf die tödliche Kugel, ohne etwas dagegen tun zu können. Ich war ihnen ausgeliefert, und alle in dieser beschissenen Karre wussten es.
Plötzlich hörte ich Tommy sagen: »Nicht doch, Ty.« Aus den Augenwinkeln konnte ich ihn ausmachen, sah, wie er Kent einen kurzläufigen Revolver ins Genick presste, während er ihm das Klebeband um den Kopf wickelte. »Wie sind alle ziemlich aufgedreht. Kein Wunder, nach allem, was passiert ist. Klar, Sean hätte nicht tun dürfen, was er getan hat, keine Frage, aber wir alle haben in der Hitze des Gefechts schon mal Scheiße gebaut, und wir wollen die Sache nicht noch komplizierter machen. Komm, stecken wir die Knarren weg, fahren zum Treffpunkt und klären die Sache dort.«
»Was meinst du, Clarence?«, fragte Wolfe, ohne den Blick von mir zu wenden.
»Blas ihm den verfickten Schädel runter. Er stresst bloß,
Weitere Kostenlose Bücher