Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
Vom Netzwerk:
wenigstens zu versuchen, ihn aufzuhalten.«
    Er schüttelte den Kopf, und Tina war geschockt, wie geschafft und alt er plötzlich wirkte. »Ich wünschte, ich wüsste, was hier vorgeht.«
    Tina atmete tief durch, sie konnte ihm ihre Gedanken genauso gut mitteilen. »Man braucht ein ernsthaftes Motiv, um vier Gangster dazu zu bringen, einen Häftling zu befreien. Ich glaube, wir wissen noch nicht einmal im Ansatz, worum es hier geht.«
    »Glauben Sie, jemand auf dem Revier hat ihnen geholfen?«
    »Sie etwa nicht?«
    »Aber warum? Warum waren diese Leute bereit, auf Polizisten zu schießen, nur um einen Mann in die Hände zu bekommen, der doch nichts weiter ist als ein Sexualmörder, wenn auch ein besonders widerlicher.«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Tina. »Aber ich glaube, ich habe eine Spur.« Sie erläuterte ihm kurz die Abweichungen, die es im Fall Roisín O’Neill gegenüber den anderen vier Fällen gab. »Das müssen wir uns unbedingt genauer ansehen. Noch einmal mit ihren Freunden und Verwandten reden, vielleicht fördern wir etwas Neues zutage.«
    Doch MacLeod wirkte nicht überzeugt. Er seufzte, sein Gesicht geröteter denn je. Offensichtlich beschäftigten ihn ganz andere Dinge.
    »Ich muss wohl einen Wagen mieten«, fuhr Tina unbeirrt fort. »Meinen Focus kann ich abschreiben.«
    »Tun Sie, was Sie tun müssen«, bedeutete er ihr und wirkte mit einem Mal abweisend. »Setzen Sie es auf Ihre Spesenrechnung. Ich muss jetzt gehen. Ich muss mich dem DCS erklären.« Tina wusste, dass er Detective Chief Superintendent Frank Mendelson meinte, den Chef der Abteilung für Kapitalverbrechen, der übergeordneten Behörde, der alle Mordkommissionen im Großraum London unterstellt waren. MacLeod sagte ihr noch einmal, sie solle vorsichtig sein, und machte sich dann mit einem gezwungenen Lächeln auf den Weg zum Revier.
    Tina sah ihm nach und dachte, so könnte sie in zehn Jahren auch aussehen – ungesund, außer Form und von einem Job ausgebrannt, der, wenn man alle Beschönigungen abgezogen hatte, nichts weiter war als eine endlose Kette von Misserfolgen und Fehlschlägen.
    Nachdem er seine Aussage beendet hatte, kam Grier zu ihr herübergeschlendert, das Jackett hatte er sich über den Arm gelegt. Inzwischen wirkte er um einiges ruhiger als vorhin, obwohl Tina sich fragte, wie lange das anhalten würde. Sie wusste aus Erfahrung, dass der Schock erst Stunden später einsetzte, manchmal brauchte es sogar Tage.
    »Mein Gott, was war heute nur los«, sagte er, steckte die Hände in die Hosentasche und ließ seinen Blick über die Szenerie schweifen.
    Tina hätte sich fast für ihre Aktion entschuldigt, biss sich aber im letzten Moment auf die Zunge. Sich zu entschuldigen, bedeutete zuzugeben, dass sie falsch gehandelt hatte, ein Zeichen der Schwäche, etwas, das ein ehrgeiziger junger Cop wie Grier gegen sie verwenden konnte.
    Stattdessen tat Grier den ersten Schritt. »Wegen vorhin, wissen Sie«, begann er zögerlich. »Ich weiß, ich habe wütend reagiert. Aber nur, weil ich geschockt war, dass man auf mich geschossen hatte. Sie sind das wahrscheinlich gewöhnt, ich meine, Ihnen ist das ja schon öfter passiert. Aber ich glaube, es war richtig, die Verfolgung aufzunehmen, und das habe ich den Typen auch gesagt.«
    Er lächelte, sie erwiderte sein Lächeln und fühlte sich schuldig. »Danke, das weiß ich zu schätzen.«
    »Wie ist Ihre Aussage gelaufen? Die werden Ihnen doch nichts anhängen, oder?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich schätze nicht. Wir hatten einen legitimen Grund für die Verfolgung, und den Atemtest habe ich auch bestanden. Allerdings knapp.«
    »Ich dachte, Sie hätten vorhin im Pub gar nichts getrunken«, sagte Grier und wirkte etwas verwirrt.
    »Nur zwei schnelle Drinks«, entgegnete sie und stellte fest, dass er deutlich aufmerksamer war, als sie gedacht hätte. »Hören Sie, Dan, wenn Sie wollen, können Sie jetzt nach Hause gehen. Es war ein langer Tag.«
    »Und Sie? Was machen Sie noch?« Er hielt inne. »Sie machen doch weiter, oder?«
    »Wir haben Monate damit verbracht, Kent zu erwischen. Und dann schnappt ihn uns jemand vor der Nase weg, schießt einen unserer Kollegen an und versucht uns abzuknallen. Da ist es doch normal, wenn ich herausfinden will, wer das war und warum sie es getan haben.«
    »Und wo wollen Sie anfangen?«
    »Bei Roisín O’Neill natürlich. Sie ist die einzige Ungereimtheit in Andrew Kents Muster.«
    Doch wie zuvor MacLeod, zeigte sich auch Grier skeptisch.

Weitere Kostenlose Bücher