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Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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»Aber sie war doch eine ganz normale junge Frau. Was kann sie mit dem zu tun haben, was hier abläuft?«
    Tina wusste aus Erfahrung, dass selbst die gewöhnlichsten Leute auf die eine oder andere Art in die schrecklichsten Verbrechen verwickelt sein konnten. »Ich will mit ihren Freunden und Verwandten sprechen, vielleicht finde ich eine Stelle in ihrem Privatleben, die uns auf eine Spur bringt.«
    »Wir haben denen doch eben erst mitgeteilt, dass wir den Mann festgenommen und angeklagt haben, der ihre Tochter umgebracht hat.«
    »Ich weiß. Aber sie werden ziemlich bald davon hören, dass dieser Mann aus der Haft entkommen ist, und das wird ihnen auch nicht besonders gefallen. So oder so, wir müssen mit den Fakten arbeiten, die uns zur Verfügung stehen, und die sagen mir nun mal, dass da einiges nicht stimmt.«
    »Ich bin immer noch überzeugt, dass Kent etwas mit ihrer Ermordung zu tun hatte. Immerhin wurde er in ihrem Haus gesehen, erinnern Sie sich?«
    »Doch. Doch da steckte auch noch jemand anderes mit drin. Und Roisín könnte diese Person gekannt haben. Deshalb will ich mit ihren Angehörigen und Freunden sprechen.«
    Er nickte. »Dann wäre ich gerne dabei.«
    »Sicher, dass Sie nicht nach Hause wollen?«, fragte sie und bereute sofort den Anflug von Spott in ihrer Stimme.
    »Nein«, beteuerte er entschlossen. »Will ich nicht. Wollen Sie nun meine Hilfe?«
    Eigentlich arbeitete Tina am liebsten allein, – was kein guter Zug für einen DI war, und weshalb sie sich in dieser Rolle auch nie wohlgefühlt hatte.
    Aber sie war pragmatisch genug, um zu erkennen, dass sie hier jede erdenkliche Hilfe benötigte, zumal die Zeit nicht auf ihrer Seite war. Und offenbar hatte sie es bislang nie registriert, dass Grier sogar ausgebufft sein konnte. »Ja«, erwiderte sie deshalb. »Das wäre gut. Fangen wir mit Roisíns Eltern an.«
    »Ich weiß noch, wie ich mit ihrem Vater gesprochen habe. Es hat ihn ziemlich hart angegangen. Seine Frau ist gestorben, als Roisín noch ein Kind war. Sie und ihre Schwester waren alles, was er hatte.« Er zog sein iPhone heraus. »Ich glaube, ich habe seine Nummer irgendwo gespeichert. Er wohnt in Rickmansworth.«
    »Rufen Sie ihn an? Entschuldigen Sie sich für die Störung, aber sagen Sie ihm, dass wir in der nächsten Stunde vorbeikommen werden.«
    Grier entfernte sich ein paar Schritte und drückte die Schnellwahltaste. Tina rief unterdessen die Auskunft an und ließ sich die Nummer der nächsten Hertz-Filiale geben. Sie wollte gerade dort anrufen und einen Mietwagen reservieren, als Grier auf dem Absatz kehrtmachte und sein Handy wegsteckte. In seinem Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus Besorgnis und Verwirrung.
    »Was ist los?«
    »Bei Roisíns Vater ging seine Tochter an den Apparat. Die andere. Derval.« Er hielt inne.
    »Und?«
    »Und die erklärte mir, dass Kevin O’Neill an einem Herzanfall gestorben ist.«
    »Wann?«
    »Gestern Nacht.«

ACHTUNDZWANZIG
    Der Schlag mit der Pumpgun hatte mich nicht völlig ausgeknockt, nur kurz betäubt, und obwohl meine Nase heftig blutete, glaubte ich nicht, dass sie gebrochen war.
    In der halben Stunde, die seitdem vergangen war, hatte ich meine Klappe gehalten. Ich hielt den Blick gesenkt und machte mich so unsichtbar, wie es unter den Umständen möglich war, plante aber meinen nächsten Schritt. Ein paarmal war ich nahe daran, einfach aus dem Wagen zu springen und abzuhauen, doch was mich zurückhielt, war die Vorstellung, dass Haddock und Wolfe oder vielleicht sogar Tommy das als willkommenen Vorwand nutzen würden, mir eine Kugel zu verpassen.
    Andererseits konnte ich nicht länger so weitermachen. Wolfe war kurz davor gewesen, mich zu erschießen, und vielleicht würde er das wirklich tun, sobald sich eine günstige Gelegenheit ergab. Als wir in der Nähe der Grenze zwischen Hertfordshire und Bedfordshire von der Hauptstraße ab- und in eine lange, kurvenreiche Straße einbogen, die ein besserer Feldweg war, fürchtete ich, dieser Augenblick würde nicht mehr allzu fern sein.
    Es war bereits nach zehn, als wir schließlich den Treffpunkt erreichten, ein verlassenes zweigeschossiges Gebäude, das sich inmitten von Feldern und Unterholz düster vom Nachthimmel abzeichnete. Aus der Nähe wirkte das Haus noch grotesker: Der mittlere Teil bestand aus einem mindestens hundert Jahre alten Feldstein-Cottage, dessen traditionell rustikale Anmutung allerdings ruiniert wurde von zwei möchtegernmodernistischen, billig wirkenden

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