Intelligenz aus dem Nichts
Fernseher leisten. Das meiste werd’ ich aber zur Seite tun«, fügte sie hinzu und schob die Scheine in ihren Busen. Sie hatte in dem vergangenen Monat ziemlich zugenommen – an den Spaghetti, die sie selbst kochte, und dem Bier und chinesischen Essen, das Adam auf dem Nachhauseweg gewöhnlich aus einem Restaurant mitbrachte. »Wenn wir genügend beisammen haben, können wir deine Gabe der Welt präsentieren, Adam. Und diesmal tun wir es richtig. Ein hübsches Kleid für mich, du in deinem feschen Anzug, wir mieten einen Saal, lassen Eintrittskarten und Plakate drucken …«
Adam war so vertraut mit Louellas Gesprächsthemen, daß er wie üblich gar nicht zuhörte. Sie erwartete auch keine Antworten von ihm. Sie war zufrieden, reden zu können, ohne unterbrochen zu werden. Er lauschte geistesabwesend den Stimmen, die ständig im Hintergrund murmelten. Er konnte nun ohne Schwierigkeiten, welche er auch immer wollte, näher heranholen und verstärken, und die anderen solange völlig ausschalten. Auf diese Weise hatte er sich viel Wissen verschafft, das ihm jedoch nicht von übermäßigem Nutzen war, da er gar nicht auf die Idee kam, es anzuwenden.
Halt, ziehen Sie sich nicht wieder zurück! Ich bin Poldak! Wo sind Sie? Ich muß mit Ihnen sprechen! Adam lauschte der aufgeregten Stimme interessiert und fand es merkwürdig, daß sie ihn direkt anredete. Sie müssen mich anrufen, R-Gespräch, Vorwahl 920, 496-9009. Ich habe versucht, Sie durch diese Frau – Louella Knefter – zu finden …
»Das sollten Sie lieber sein lassen«, sagte Adam laut.
»Was?« fragte Louella empört. »Für die Zukunft sorgen?«
»Das meinte ich nicht …« Adams Gedanken wanderten weiter. Mr. Poldak war ausgeschaltet.
Dicke Luft herrschte in der Drachen-Import-Gesellschaft. Mr. Lin hatte fünf Männer und eine Frau hinausgeschmissen; zwei der Männer hatte er angezeigt. Mr. Lin schien nun fast überall gleichzeitig nach dem Rechten zu sehen: im Lager, der Versandabteilung und am Hafen, und sein Mißtrauen machte die Angestellten nervös. Selbst seine Kundschaft betrachtete er argwöhnisch, und mit denen, die Adam ihm genannt hatte, brach er sofort jegliche Geschäftsverbindung ab. Selbst der fröhlichen Lucy schien das neue Betriebsklima auf den Magen zu schlagen, sie war unnatürlich still. Es störte sie vor allem, daß so manche der Kollegen Adam die Schuld gaben und ihn nur zu gern los gewesen wären. Nur Adam merkte von allem nichts, das heißt, er bemerkte es, aber er dachte sich nichts dabei.
»Macht Ihnen denn die schreckliche Stimmung hier gar nichts aus, Mr. Adam?« fragte Lucy etwa eine Woche nach der fristlosen Entlassung der sechs Kollegen.
Er dachte darüber nach. »Nein«, erwiderte er schließlich.
»Sie sind ein merkwürdiger Mensch, Mr. Adam. Sie interessieren sich offenbar nur für Ihre Zahlen.« Er ist wirklich komisch. Er sieht mir nie in die Augen, wenn er mit mir spricht …
»Wenn Sie wollen, schaue ich Ihnen in die Augen«, murmelte Adam.
Lucys Härchen auf dem Nacken stellten sich auf. »Weshalb haben Sie das gesagt?«
»Weil – es sehr hübsche Augen sind.« Es war kein Versuch, das Thema zu wechseln, sondern ihm war eben erst die Schönheit der fast schwarzen Augen mit den langen Wimpern aufgefallen.
Lucy schüttelte den Kopf, aber sie war nicht unerfreut über das unerwartete Kompliment. Sie schlüpfte in den Mantel und blickte erstaunt auf Adam. Er machte offenbar keine Anstalten, nach Hause zu gehen. »Kommen Sie, Mr. Adam«, forderte sie ihn auf. »Feierabend!«
Gemeinsam gingen sie die Treppe hinunter. Sie waren offenbar die letzten im Haus. Als sie auf den Hintereingang zutraten, sprangen plötzlich drei Maskierte mit kurzen, dicken Stöcken aus einem Versteck herbei.
Lucy schrie gellend auf und blieb wie gelähmt stehen.
»Halten Sie sich ruhig, dann wird Ihnen nichts geschehen«, sagte einer der Banditen auf Chinesisch zu ihr. Er machte einen Schritt auf Adam zu und ließ ohne Vorwarnung den Stock auf dessen Schädel herabsausen. Adam wich zur Seite und stieß dem Angreifer den Fuß zwischen die Schenkel. Der Mann brüllte, sackte auf den Boden und wand sich vor Schmerzen. Der zweite fletschte die Zähne und holte zu einem Handkantenschlag auf Adams Hals aus. Adam duckte sich, packte den über ihm vorbeischwingenden Arm, legte seinen rechten Unterarm an den Ellbogen und riß das Handgelenk nach unten. Das Knirschen brechender Knochen war zu hören. Der Mann stürzte ohnmächtig mit
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