Intensity
Boden berührten, und setzte sich.
Während ihr wild hämmernder Herzschlag sich langsam beruhigte, lehnte Chyna sich gegen das Kissen zurück. Sie atmete noch immer schwer und überraschte sich, indem sie lachte. Ein musikalisches, unerwartet mädchenhaftes Gelächter brach aus ihr heraus, ein erstaunliches Kichern, das zum Teil Freude ausdrückte und zum Teil das Nachlassen der Nervenanspannung begleitete.
Sie rieb ihre vor Schweiß brennenden Augen zuerst mit dem einen und dann mit dem anderen Ärmel ihres Baumwollpullis ab. Mit den gefesselten Händen strich sie unbeholfen ihr kurzes Haar aus der Stirn zurück, auf die es in feuchten Locken gefallen war.
Als ein leiseres, kontrollierteres, trillerndes Gelächter über ihre Lippen kam, nahm sie aus dem rechten Augenwinkel eine Bewegung wahr. Sie drehte den Kopf zum Fenster und dachte glücklich: Der Elch.
Ein Dobermann starrte sie an.
Nur wenige Sterne, und noch leuchtete der Mond nicht zwischen den aufgerissenen Wolken, und der Hund war pechschwarz. Trotzdem war er ganz deutlich sichtbar, vielleicht, weil sein spitzes Gesicht sich nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt befand und lediglich das Glas zwischen ihnen war. Seine tintigen Augen waren kalt und gnadenlos, haiähnlich in ihrer unerschütterlichen und glasigen Konzentration. Neugierig drückte er die nasse Schnauze gegen die Scheibe.
Der Dobermann stieß ein hohes Jaulen aus, das sogar durch das Glas hörbar war: weder ein ängstliches Winseln noch eine Bitte um Aufmerksamkeit, sondern ein scharfes Geräusch, das perfekt die Mordlust in seinen Augen ausdrückte.
Chyna lachte nicht mehr.
Der Hund ließ sich vom Fenster hinabfallen und verschwand außer Sicht.
Sie hörte seine Pfoten hohl über die Bretter hämmern, als er auf der Veranda schnell auf und ab lief. Wenn das Tier nicht leise jaulte, knurrte es tief und aggressiv.
Dann sprang der Hund wieder in Sicht, legte seine breiten Vorderpfoten auf die Fensterbank und befand sich erneut auf Augenhöhe mit ihr. Erregt entblößte er drohend die langen Zähne, bellte oder jaulte aber nicht.
Vielleicht war das Geräusch, mit dem das Wasserglas auf dem Boden zerbrach, oder der Knall, mit dem der Tisch auf die Seite fiel, noch im Garten zu vernehmen gewesen, und dieser Dobermann war gerade in der Nähe gewesen und hatte es gehört. Der Hund hatte vielleicht schon eine ganze Weile an dem Fenster gestanden, gehört, wie Chyna abwechselnd ihre Ketten verfluchte und sich anfeuerte, während sie sich vom Tisch befreite; und ganz bestimmt hatte er ihr Gelächter gehört. Hunde hatten lausig schlechte Augen, und das Tier würde kaum mehr als ihr Gesicht sehen können, jedenfalls nichts von dem Durcheinander. Doch sie hatten einen ausgezeichneten Geruchssinn, und vielleicht war das Tier in der Lage, den Geruch ihrer plötzlichen Begeisterung durch das Fenster hindurch wahrzunehmen – und war nun alarmiert.
Das Fenster war gut anderthalb Meter breit, einen Meter zwanzig hoch und in zwei Hälften unterteilt. Offensichtlich war es nicht von Anfang an vorhanden gewesen, sondern erst bei einer Renovierung vor relativ kurzer Zeit eingebaut worden. Hätte es aus zahlreichen kleineren Scheiben bestanden, die von breiten, soliden Holzstegen geteilt wurden, hätte Chyna sich wesentlich sicherer gefühlt. Aber die beiden aufschiebbaren Glasscheiben waren so groß, daß ein erregter Dobermann hindurchpaßte, wenn er ihr unbedingt an die Kehle gehen wollte.
Doch dazu würde es bestimmt nicht kommen. Die Hunde waren ausgebildet worden, das Gelände zu bewachen, und nicht, ins Haus einzudringen.
Die entblößten Zähne schimmerten wie Perlen grauweiß in der Dunkelheit: ein breites, aber humorloses Grinsen.
Chyna vermied plötzliche, provozierende Bewegungen und wartete lieber, bis der Dobermann sich wieder vom Fenster hinabgelassen hatte, bevor sie zum Boden griff und die Kette, die sie an den Tisch gefesselt hatte, aufhob, um nicht darüber zu stolpern. Während sie darauf lauschte, wie der Hund auf der Veranda auf und ab lief, erhob sie sich in die RumpelstilzchenHockstellung, die der behindernde Stuhl ihr aufzwang. Sie hüpfte mit dem Stuhl durch die Küche und hielt sich in der Nähe der Wände und Schränke, ertastete sich den Weg, so gut sie es vermochte, während die Handschellen sie behinderten und sie überdies das Ende der Kette in einer Hand hielt. Sie schlurfte beim Gehen stärker, als ihre Fesseln es verlangten, in der Hoffnung, sie würde das
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