Intensity
bohrten sich in ihren rechten Fuß.
Chyna gab einen weiteren dicken Salmiakstrahl in Richtung ihrer Füße ab, und noch einen, und abrupt ließ dieser Dobermann sie los. Sie und der Hund schrien nun im Duett, waren geblendet und zitterten und lebten im selben Reich der Schmerzen.
Schnappende Zähne. Der andere Hund. Er drängte unter dem Visier ihrem Kinn entgegen. Schnapp-schnapp-schnapp. Und das eifrige hungrige Winseln.
Sie rammte die Flasche in sein Gesicht, drückte den Hebel, drückte noch einmal, und der Hund ließ von ihr ab und lief jaulend davon.
Ein paar Tropfen Salmiak drangen durch die kleinen Löcher in der Mitte der Scheibe in das Visier ein. Sie konnte durch das beschlagene Plexiglas nichts sehen, und die scharfen Dämpfe erschwerten ihr das Atmen.
Keuchend und mit tränenden Augen ließ sie die Spraydose fallen und kroch auf Händen und Füßen in die Richtung, in der sie das Wohnmobil vermutete. Sie prallte gegen seine Seite und zog sich daran hoch. Der verletzte Fuß fühlte sich heiß an, vielleicht, weil er in das Blut getaucht war, das in ihren Schuh geflossen war, aber sie konnte ihn mit ihrem Gewicht belasten.
Bislang drei Hunde.
Wenn drei, dann bestimmt auch vier.
Der vierte würde ebenfalls angreifen.
Als der Salmiak unter dem Gesichtsschutz verdampfte und, etwas langsamer, auch der auf ihrer zerrissenen Jacke, nahm auch die Menge der Dämpfe ab, aber nicht schnell genug. Chyna war versucht, den Helm abzunehmen und ungehindert durchzuatmen, wagte es dann aber doch nicht, nicht, bis sie in dem Wohnmobil war.
Sie würgte unter den Salmiakdämpfen und mahnte sich, unter der Plexiglasscheibe nach unten auszuatmen, war aber noch immer halb blind, weil ihre Augen nicht zu tränen aufhörten. Trotzdem tastete sie sich an der Seite des Wohnmobils entlang, bis sie die Tür des Fahrerhauses wiedergefunden hatte. Verblüfft stellte sie fest, daß der Schmerz sich in erträglichen Grenzen hielt, wenn sie mit dem verletzten Fuß auftrat.
Der Schlüssel befand sich noch unversehrt an ihrem rechten Handschuh. Sie nahm ihn zwischen Daumen und Zeigefinger.
In der Ferne jaulte ein Hund, wahrscheinlich der erste, dem sie den Salmiak in die Augen gesprüht hatte. In der Nähe winselte und heulte ein anderer elendig. Ein dritter winselte, nieste, keuchte, weil die Dämpfe ihm noch immer zusetzten.
Aber wo war der vierte?
Sie fummelte an dem Zylinderschloß herum, fand das Schlüsselloch, indem sie blindlings herumstocherte, öffnete die Tür und zog sich auf den Fahrersitz hoch.
Als sie die Tür zuschlug, prallte etwas gegen deren Außenseite. Der vierte Hund.
Sie nahm den Helm ab, zog die Handschuhe aus und legte die gepolsterte Jacke ab.
Mit gefletschten Zähnen sprang der vierte Dobermann am Seitenfenster empor. Seine Krallen scharrten kurz am Glas, dann fiel er auf den Rasen zurück und starrte sie an.
Vom Licht aus dem schmalen Gang erhellt, lag Laura Templetons Leiche noch immer in einem Gewirr von Handschellen und Ketten in ein Laken eingehüllt auf dem Bett.
Chynas Brust zog sich zusammen, und ihr Hals schwoll so eng zu, daß sie kaum noch schlucken konnte. Sie sagte sich, daß der Körper auf dem Bett in Wirklichkeit gar nicht Laura war. Das Wesentliche von Laura war nicht mehr vorhanden, und dort lag nur noch die Hülle, lediglich Fleisch und Knochen auf einer langen Reise unter die Erde. Lauras Seele war in der Nacht zu einem helleren und wärmeren Ort gereist, und es war sinnlos, Tränen um sie zu vergießen, denn sie war ins Himmelreich eingegangen.
Die Schranktür war geschlossen. Chyna ging davon aus, daß der Tote noch dort hing.
In den über vierzehn Stunden, die sie nicht mehr in dem Wohnmobil gewesen war, hatte die stickige Luft einen schwachen, aber widerwärtigen Verwesungsgeruch angenommen. Sie hatte Schlimmeres erwartet. Trotzdem atmete sie durch den Mund, um die Ausdünstung nicht wahrnehmen zu müssen.
Sie schaltete die Leselampe ein und öffnete die oberste Schublade des Nachttisches. Die Gegenstände, die sie am vergangenen Abend entdeckt hatte, lagen noch immer dort und schlugen leise gegeneinander, weil die Vibrationen des Motors sich durch den Boden auf sie übertrugen.
Ihr war nicht wohl zumute, den Motor laufen zu lassen, da sein Lärm die Annäherung eines anderen Fahrzeugs übertönen würde, falls Vess doch früher nach Hause kam. Doch sie brauchte Licht und wollte nicht riskieren, die Batterie zu leeren.
Sie holte die Gazetupfer, das Hansaplast und die
Weitere Kostenlose Bücher