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Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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auf!«
    »Gut«, meint Vess. Er mag Stürme. Er fährt gern während eines Sturms. Je sintflutartiger der Regen, desto besser. Mit zuckenden Blitzen und Bäumen, die im Wind ächzen, und einer spiegelglatten Fahrbahn.
    Der Mann mit dem Walroßschnurrbart geht zu dem Pontiac.
    Vess betritt den Minimarkt und fragt sich, was ein Elektriker aus dem Staat Washington zu dieser nachtschlafenden Stunde auf einer Straße in Nordkalifornien zu suchen hat.
    Ihn fasziniert die Art und Weise, wie Menschenleben kurz miteinander in Verbindung treten und sich dabei ein Potential für ein Drama auftut, das manchmal eintritt und manchmal nicht. Jemand hält an, um zu tanken, verweilt, um Kartoffelchips und Coke zu kaufen, gibt einem Fremden gegenüber eine Erklärung über das Wetter ab – und setzt seine Reise fort. Der Fremde hätte dem Mann genauso gut zu seinem Wagen folgen und ihm das Gehirn aus dem Kopf pusten können. Das wäre für den Schützen nicht mit übermäßigen Risiken verbunden; man könnte es mit überraschender Diskretion zustande bringen. Das Überleben des Mannes hat entweder eine geheimnisvolle Bedeutung, oder es ist völlig bedeutungslos; Vess kann sich einfach nicht entscheiden, was nun zutrifft.
    Falls es tatsächlich kein Schicksal gibt, sollte man es erfinden.
    Der kleine Laden ist warm, sauber und hell erleuchtet. Drei schmale Gänge erstrecken sich links von der Tür und bieten die üblichen Waren für unterwegs an: alle nur denkbaren Snacks, die gängigen rezeptfreien Medikamente, Zeitschriften, Taschenbücher, Postkarten, Souvenirs, die man an den Rückspiegel hängen kann, und eine Auswahl an Konserven, die hauptsächlich an Camper oder Leute verkauft werden, die – wie Vess – in Häusern auf Rädern reisen. An der hinteren Wand stehen große Kühlschränke mit Bier und Limonaden und einige Gefriertruhen mit verschiedenen Eiscremesorten. Rechts von der Tür befindet sich eine Theke mit zwei Registrierkassen, die den öffentlichen Teil des Ladens von den Büroräumen trennt.
    Zwei Angestellte haben Dienst, beides Männer. Heutzutage arbeitet des Nachts niemand mehr allein in solchen Läden – und zwar aus gutem Grund.
    Der Bursche an der Registrierkasse ist rothaarig, Mitte Dreißig, mit Sommersprossen und einem fünf Zentimeter durchmessenden Muttermal auf der Stirn, rosa wie ungekochter Lachs. Das Mal erinnert unangenehm an einen Fötus, der sich im Mutterleib zusammenrollt, als sei ein im Entstehen begriffener Zwilling ganz früh während der Schwangerschaft der Mutter gestorben und habe ein fossiles Abbild auf der Stirn des überlebenden Bruders zurückgelassen.
    Der rothaarige Kassierer liest ein Taschenbuch. Er schaut zu Vess auf, und seine Augen sind grau wie Asche, aber klar, und haben einen durchdringenden Blick. »Was kann ich für Sie tun, Sir?«
    »Ich stehe an Zapfsäule sieben«, sagt Vess.
    Das Radio ist auf einen Countrysender eingestellt. Alan Jackson singt von der Mitternacht in Montgomery, dem Wind, einem Ziegenmelker, einem einsamen Frösteln und dem Geist von Hank Williams.
    »Wie wollen Sie bezahlen?« fragt der Kassierer.
    »Wenn ich noch mehr auf Kreditkarten kaufe, wird die Bank of America jemanden losschicken, der mir die Beine brechen soll«, sagt Vess und legt einen Hundertdollarschein auf die Theke. »Ich nehme Benzin für sechzig Mäuse.«
    Das Zusammenspiel von dem Lied, dem Muttermal und den beunruhigend grauen Augen des Kassierers erzeugt in Vess eine unheimliche Erwartungshaltung. Irgend etwas Außergewöhnliches wird geschehen.
    »Sie haben noch an Weihnachten zu knapsen, wie wir alle, was?« sagt der Kassierer und verbucht den Betrag.
    »Ich werd’ noch nächstes Jahr Weihnachten an Weihnachten zu knapsen haben.«
    Der zweite Angestellte sitzt auf einem Stuhl, ein Stück die Theke entlang. Er kassiert nicht, sondern arbeitet an der Buchhaltung oder überprüft die Inventarlisten. Auf jeden Fall erledigt er irgendwelchen Papierkram.
    Vess hat den zweiten Mann noch nicht direkt angesehen, und nun stellt er fest, daß er das Außergewöhnliche ausmacht, das er sich ankündigen spürte.
    »Ein Sturm zieht auf«, sagt er zu dem zweiten Angestellten.
    Der Mann schaut von den Papieren auf, die auf der Theke ausgebreitet liegen. Er ist in den Zwanzigern, zumindest Halbasiat und betörend hübsch. Nein. Mehr als nur hübsch. Pechschwarzes Haar, goldener Teint, die Augen so flüssig wie Öl und tief wie ein Brunnen. Er sieht auf eine sanfte Weise gut aus, die ihn fast

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