Intensity
entlang, an dessen Seiten die Waren fast zwei Meter hoch gestapelt waren.
Als sie aus dem Gang trat, um sich am Ende einer Reihe von Schaukästen zu verstecken, hörte Chyna, daß die Tür geöffnet wurde und der Mörder hereinkam. Knurrender Wind begleitete ihn, und dann schwang die Tür zu.
Der rothaarige Kassierer und der junge asiatische Gentleman mit den Augen, die aus flüssiger Nacht zu bestehen scheinen, mustern ihn seltsam, als wüßten sie etwas, das sie nicht wissen sollten, und fast hätte er in dem Augenblick, da er durch die Tür tritt, die Flinte hervorgezogen und sie ohne jede Vorbemerkung erschossen. Doch er sagt sich, daß er zuviel hineindeutet, daß sie lediglich von ihm fasziniert sind, weil er ja schließlich eine bemerkenswerte Gestalt ist. Die Leute spüren oft seine außergewöhnliche Macht und sind sich bewußt, daß er ein größeres Leben führt als sie. Auf Parties ist er ein beliebter Gast, und Frauen fühlen sich zu ihm hingezogen. Diese beiden Männer sind einfach nur, wie so viele andere, von ihm beeindruckt. Außerdem beraubt er sich des Vergnügens des Vorspiels, wenn er sie sofort und ohne jedes weitere Wort erledigt.
Im Radio singt nicht mehr Alan Jackson, und Vess spitzt anerkennend die Ohren. »Mann«, sagt er, »diese Emmylou Harris ist toll, was? Oder kennen Sie noch wen, der das Zeug so singen kann, daß es einem richtig nahegeht?«
»Sie ist gut«, sagt der Rotschopf. Vorher war er kontaktfreudig. Jetzt wirkt er reserviert.
Der Asiat sagt nichts, bleibt unergründlich in seinem ZenTempel aus Twinkies, Hershey-Riegeln, Erdnüssen, Crackern und Dorritos.
»Ich mag Lieder über ein Feuer im heimischen Herd und die Familie«, sagt Vess.
»Sind Sie auf einer Urlaubsreise?« fragt der Rotschopf.
»Verdammt, mein Freund, ich habe immer Urlaub.«
»Sie sind zu jung, um schon im Ruhestand zu leben.«
»Ich meine«, sagt Vess, »das Leben selbst ist ein Urlaub, wenn man es richtig sieht. Ich gehe etwas auf die Jagd.«
»Hier in dieser Gegend? Für welche Tiere ist denn gerade Saison?« fragt der Rothaarige.
Der Asiat bleibt stumm, aber aufmerksam. Er nimmt ein Slim-Jim-Würstchen von einem Regal und reißt die Plastikhülle auf, ohne den Blick von Vess zu wenden.
Die beiden rechnen keinen Augenblick lang damit, daß sie in einer Minute tot sein werden, und ihr viehischer Mangel an Bewußtsein erfreut Vess. Es ist wirklich ziemlich komisch. Wie dramatisch sie die Augen aufreißen werden, wenn die Flinte dröhnt.
»Jagen Sie auch?« fragt Vess, anstatt die Frage des Kassierers zu beantworten.
»Ich gehe lieber fischen«, sagt der Rotschopf.
»Das hat mich nie interessiert«, sagt Vess.
»Tolle Sache, so mit der Natur in Berührung zu kommen – ein kleines Boot auf dem See, das friedliche Wasser …«
Vess schüttelt den Kopf. »Man kann in ihren Augen nichts sehen.«
Der Rotschopf blinzelt verwirrt. »In ihren Augen?«
»Ich meine, es sind einfach nur Fische. Sie haben so flache, glasige Augen. Mein Gott.«
»Na ja, ich behaupte ja nicht, daß es schöne Tiere sind. Aber nichts schmeckt so gut wie ein selbst gefangener Lachs oder eine Forelle.«
Edgler Vess lauscht einen Augenblick lang der Musik und läßt sich von den beiden Männern beobachten. Das Lied geht ihm wirklich nah. Er spürt die durchdringende Einsamkeit der Straße, die Sehnsucht eines liebenden Menschen, der weit weg von zu Hause ist. Er ist ein einfühlsamer Mensch.
Der Asiat beißt ein Stück von der Wurst ab. Er kaut anmutig, seine Kiefermuskeln bewegen sich kaum.
Vess entschließt sich, die angebissene Wurst Ariel zu bringen. Sie kann mit ihrem Mund die Stelle berühren, die der Asiat mit dem seinen berührt hat. Diese Intimität mit dem wunderschönen jungen Mann wird Vess’ Geschenk an das Mädchen sein.
»Ich bin froh, wenn ich zu meiner Ariel nach Hause komme«, sagt er. »Ist das nicht ein schöner Name?«
»Klar doch«, sagt der Rotschopf.
»Paßt auch zu ihr.«
»Ist das Ihre Frau?« fragt der Rothaarige. Seine Freundlichkeit ist nicht so natürlich wie gerade eben noch, als Vess ihn gebeten hatte, die Zapfsäule Nummer sieben freizugeben. Ihm ist eindeutig unbehaglich zumute, und er versucht das zu verbergen.
Es ist an der Zeit, sie zu erschrecken, zu sehen, wie sie reagieren. Wird einem von ihnen allmählich dämmern, welcher Ärger ihnen bevorsteht?
»Nein«, sagt Vess. »Ich lasse mich nicht an die Kette legen. Vielleicht mal für einen Tag. Außerdem ist Ariel erst
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