Internat auf Probe
Heimatverein. Ich bin sicher, er wird mal ein ganz Großer. Und nun zu dir …“
Der Spargel mustert Carlotta von oben bis unten, und Carlotta ist sich ziemlich sicher, so etwas wie Mitleid in seinem Blick zu erkennen. Immerhin braucht sie fast zwanzig Minuten, bis sie einigermaßen sicher im Boot sitzt, die langen Paddel, die der Spargel „Riemen“ nennt, sortiert hat und endlich auf dem Wasser schwimmt.
Als sie zwei Stunden später ins Schloss zurückkehrt, ist sie um zwei Blasen an den Händen und die Erkenntnis reicher, dass Rudern viel leichter aussieht, als es ist. Ob sie es jemals schaffen wird, das zu lernen? Sie hat leichte Zweifel.
Vielleicht ist es mehr ein Jungensport?, überlegt sie, als sie die breiten Stufen hinaufsteigt. Könnte doch sein? Im Training waren außer ihr jedenfalls nur drei andere Mädchen – und zwar bei den Fortgeschrittenen.
Bei den Anfängern ist Carlotta das einzige Mädchen – neben zwei Jungs aus ihrer Klasse, Felix und Hannes. Und ausgerechnet sie hat sich am blödesten angestellt, davon ist Carlotta überzeugt.
Herr Dunker hat sie und die anderen in einem kleinen Motorboot auf den See hinausbegleitet und von dort aus seine Kommandos gegeben. Während die Fortgeschrittenen ihre Trainingsbahnen absolviert haben, hat der Lehrer den Neulingen geduldig erklärt, wie man richtig sitzt und warum es so wichtig ist, die Ruderblätter gleichzeitig ins Wasser zu tauchen.
„Weil man sonst im Kreis fährt“, murmelt Carlotta und schlurft durch die Eingangshalle. „Schon klar.“
Sie hat es einfach nicht geschafft, ihr Boot geradeaus zu steuern. Wie denn auch, wenn man nicht sieht, wohin man fährt? Schließlich sitzt man rückwärts in dem wackligen Ding! Oh Mann …
Herr Dunker hat nicht sehr glücklich ausgesehen, als sie zum Abschluss des Trainings dann auch noch mit dem Boot gegen den Steg gekracht ist, das hat Carlotta genau gesehen. Aber zum Glück ist nichts passiert, ihr nicht und dem Boot auch nicht. Das hätte ihr noch gefehlt, gleich in der ersten Trainingsstunde ein teures Boot kaputt zu machen!
Was für ein Reinfall! Carlotta stöhnt auf. Für den Rest des Tages hat sie genug von Booten, Riemen und Wassersport aller Art.
Der Besuchstag am nächsten Tag lenkt Carlotta von ihren schmerzenden Muskeln und den Blasen an ihren Händen ab. Mama, Steffen und die Zwillinge sind extra früh angereist, um sich alles von ihr zeigen zu lassen. Sie haben drei Tüten Gummibärchen und Lakritzschnecken mitgebracht, frische Wäsche, ein paar T-Shirts und eine schicke neue Jeans.
Als Mama ihr Zimmer sehen will, zuckt Carlotta zusammen. Am Morgen sah es noch ziemlich chaotisch aus, obwohl Manu einen ganzen Tag und den Vorabend Zeit hatte, um aufzuräumen. Bei der Zimmerkontrolle hatte Frau Heselein ihr eine Frist gesetzt, über die Manu allerdings nur gekichert hat.
Vorsichtig macht Carlotta die Tür auf und späht um die Ecke, bevor sie erleichtert den Blick freigibt. Manu hat sich wirklich große Mühe gegeben. Ihr Bett ist ordentlich gemacht, alle Klamotten befinden sich im Koffer, dessen Deckel sich verdächtig wölbt. Manu hat ihn halb unter ihr Bett geschoben. Nur die einzelne Socke baumelt nach wie vor an der Deckenlampe. Manu muss sie übersehen haben.
„Was für eine originelle Dekoration“, bemerkt das Nilpferd prompt. „Habt ihr die extra für den Besuchstag dort aufgehängt?“
Carlotta wird rot. „Ähm, nö, nicht direkt … Manu ist neulich in eine Pfütze getreten. Sie hat die Socke bestimmt zum Trocknen an die Lampe gehängt.“
„Aha“, murmelt das Nilpferd.
Mama hat Lennart auf dem Arm und schaut sich neugierig um. Carlotta hat ihr Lennart abgenommen und kitzelt ihn am Bauch. Er gluckst vergnügt.
„Nett habt ihr’s hier“, lächelt Mama. „Richtig gemütlich.“ Wenn du wüsstest!, denkt Carlotta finster.
„Hast du dich mit deinen Mitbewohnerinnen schon ein bisschen angefreundet?“ Mama geht ans Fenster und wirft einen Blick in den Park.
„Ja, klar … ein bisschen“, seufzt Carlotta. „Wollen wir jetzt wieder raus? Ich kann euch den Park zeigen und das Bootshaus und alles andere.“
Sie ist froh, dass Mama und Steffen sofort zustimmen. Zu großartigen Erklärungen über ihre beiden Mitbewohnerinnen verspürt sie nicht die geringste Lust. Mama und Steffen würden sie wahrscheinlich sowieso nicht verstehen.
Auf dem Rasenplatz hinter dem Schloss herrscht lebhaftes Treiben. Das Wetter ist sonnig und herrlich warm. Carlotta und Mama setzen
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