Internat auf Probe
Platz am Fenster schiebt.
„Nö“, brummt Manu und schiebt sich ihr mit Tomaten, Gurke, Schinken und doppelt Käse belegtes Sandwich zwischen die Zähne. „Was soll der Quatsch auch? Meine Eltern wissen schließlich, wie ich aussehe, und andersrum genauso.“
Sofie schüttelt den Kopf und macht ein unglückliches Gesicht. „Meine Eltern haben ein kleines Restaurant, dort, wo wir wohnen“, sagt sie leise. „Es ist nicht möglich, dass sie mich einfach so zwischendurch besuchen. Sie können unser Restaurant nicht alleine lassen.“
„Das ist ja schade“, sagt Carlotta und spürt einen Anflug von Mitleid. Sie will sich gerade ihrem Essen widmen, als Nadine von hinten an sie herantritt.
„Du hast vielleicht süße Brüder!“, quiekt sie. „Das waren doch deine Brüder vorhin, oder? Die beiden blonden Jungs in den schicken Designer-Jeans? Hach, ich liiiebe Babys!“ Sie senkt die Stimme und flüstert Carlotta ins Ohr: „Und deinen Vater finde ich auch echt attraktiv!“ Sie zwinkert Carlotta zu und lässt sie vollkommen verdattert zurück.
Was war das denn?, denkt Carlotta und beißt sich auf die Unterlippe, um nicht loszuprusten. Hält die Steffen etwa für meinen Vater? Hilfe!
„Vielen Dank!“, ruft sie Nadine kichernd hinterher. „Ich werd es ihm ausrichten!“
Manu faltet ihr zweites Sandwich zusammen und stopft es sich in den Mund. Ihr Blick wandert zwischen der Tür des Speisesaals und der großen Uhr über der Essensausgabe hin und her. „Bin gleich wieder da“, murmelt sie und eilt mit schnellen Schritten in Richtung Ausgang. Carlotta sieht, dass sie im Vorbeigehen ein paar Schinkenscheiben vom Aufschnitttablett stibitzt und blitzschnell in ihrer Jackentasche verschwinden lässt.
„Was soll das jetzt wieder bedeuten?“, brummt Carlotta.
Sofie schüttelt den Kopf. „Ich habe keine Ahnung.“
Carlotta und Sofie sind längst wieder in ihrem Zimmer, als Manu auftaucht. Immer wieder wirft sie einen Blick aus dem Fenster und wandert ruhelos hin und her. Sie macht einen abwesenden Eindruck, fast als wäre sie gar nicht richtig da.
Carlotta überlegt, ob sie in den Aufenthaltsraum gehen soll, um ein bisschen fernzusehen oder etwas zu spielen. Da sind immer andere Mitschüler, und meistens ist es ziemlich lustig. Aber eigentlich will sie viel lieber lesen, und zwar in Ruhe. Ärgerlich beobachtet sie Manus Wanderung über den Teppich, hin und her, hin und her.
„Kannst du dich nicht hinsetzen?“, fragt Sofie. „Du machst mich ganz nervös!“
Manu bleibt stehen und starrt Sofie an, als wäre die soeben aus einer anderen Galaxie auf die Erde gefallen. „Was? Ach so, sorry … Ich hau sowieso gleich noch mal ab. Ich warte nur darauf, dass der olle Brönne seinen Abendspaziergang beendet.“ Angespannt starrt sie hinaus. „Na, endlich“, murmelt sie und schnappt sich ihre Jeansjacke vom Bett.
Ohne Carlotta und Sofie eines Blickes zu würdigen, schiebt sie sich durch die Zimmertür auf den Flur und huscht davon. Die beiden Mädchen sehen sich an und schütteln ratlos die Köpfe.
Carlotta und Sofie sind in ihre Bücher vertieft, als Manu endlich zurückkehrt. Sie gähnt, dann greift sie nach ihrem Wecker und dreht an den Knöpfen. Begleitet von einem Seufzer schiebt sie den Wecker schließlich tief unter ihr Kopfkissen.
Was soll das denn?, wundert sich Carlotta. Morgen ist doch Sonntag! Da dürfen wir ausschlafen!
Wenig später verschwindet Manu im Waschraum und kommt ein paar Minuten darauf frisch geduscht zurück. Sie schlüpft in ihren Schlafanzug, legt sich in ihr Bett und macht das Licht aus. Schwungvoll wirft sie sich auf die Seite und murmelt „Gute Nacht“. Kurz darauf hört man sie leise schnarchen.
Dabei ist es erst halb neun! Mit gerunzelter Stirn liest Carlotta weiter. Nicht im Traum denkt sie daran, sich über Manus merkwürdiges Verhalten zu wundern oder Fragen zu stellen. Die Zeiten sind vorbei. Soll die doch machen, was sie will.
Obwohl … Carlotta wüsste schon gern, was es mit dem Wecker unter dem Kopfkissen auf sich hat.
Mitten in der Nacht poltert es im Zimmer. Jemand stöhnt auf und unterdrückt einen Fluch. Carlotta fährt erschrocken hoch. Aufrecht in ihrem Bett sitzend lauscht sie mit angehaltenem Atem in die Dunkelheit, während sich ihre Finger in die Bettdecke krallen. Sie versucht etwas zu erkennen und glaubt ganz kurz einen Schatten durchs Zimmer huschen zu sehen. Aber es ist viel zu dunkel, um wirklich etwas zu erkennen. Erst als die Tür einen
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