Internat auf Probe
wohlbehalten im Krüger-Nationalpark angekommen. Hier hat es durch einen plötzlichen Temperatursturz und ausgiebige Regenfälle vor Kurzem ein Massensterben Zehntausender Schwalben gegeben, das den Forschern große Rätsel aufgibt. Sie bringen es mit den Klimaverschiebungen in Verbindung. Wir werden einige Zeit hier verbringen, bevor wir zu einer Expedition in die Provinz KwaZulu-Natal aufbrechen.
Da ich von unterwegs voraussichtlich keine Gelegenheit mehr haben werde, Dir regelmäßig Mails zu schreiben, schicke ich Dir stattdessen in den nächsten Tagen mein Reisetagebuch. Ich schreibe täglich auf, wo wir sind, was wir erlebt haben und was wir als Nächstes vorhaben. Vielleicht interessiert es Dich, zu erfahren, womit Dein steinaltes Väterchen seine Zeit totschlägt und in welchem gottverlassenen Winkel des Erdballs er gerade steckt?
Das erste Tagebuch habe ich gestern beendet und bringe es heute zur Post. Per Luftpost nach Deutschland wird es einige Zeit unterwegs sein, aber in spätestens zwei bis drei Wochen solltest Du es haben. Sobald das nächste Tagebuch voll ist (und sofern ein Postamt in der Nähe ist), schicke ich es hinterher. So bekommst Du im Laufe der nächsten Monate eine richtige kleine Reisebibliothek von mir. Na, wie findest Du das?
Wie ich das finde?, denkt Carlotta. Superspitzenklassetoll natürlich! Aufgeregt liest sie weiter:
Bitte pass gut auf die Tagebücher auf. Ich werde sie später für meine Arbeit brauchen. Wenn Du Zeit und Lust hast, schreib mir zurück. Meine Adresse findest Du weiter unten. Wenn Du den Brief postlagernd schickst, kann ich ihn abholen, sobald ich wieder in der Zivilisation bin. Bis dahin denk ich an Dich. Ich hab Dich lieb, pass auf Dich auf.
Dein Papa in der Ferne.
Glücklich liest Carlotta die Mail ein zweites Mal, bevor sie sie ausdruckt und den Ausdruck in ihren Rucksack schiebt.
Papas Reisetagebuch, wie spannend! Hoffentlich braucht die südafrikanische Post nicht bis Weihnachten! Sie kann es kaum erwarten, darin zu lesen.
Schnell macht sie sich daran, Papa eine Antwortmail zu schreiben und sich zu bedanken. Mit viel Glück kann er die Mail noch lesen, bevor er in die Provinz mit dem komischen Namen aufbricht.
Kurz entschlossen beichtet Carlotta ihm auch noch ihre misslungene Ruderkarriere und ihren hoffnungsvollen Neustart als Fotografin.
Papa wird das schon verstehen, ist sie überzeugt. Vielleicht freut er sich sogar, dass ich jetzt fotografiere? Ist immerhin so ähnlich wie Filmemachen, oder?
Mit einem zufriedenen Lächeln schickt sie die Mail ab und loggt sich aus dem Terminal aus.
Mehrmals täglich flitzt Carlotta in den nächsten Tagen zu ihrem Fach in der Eingangshalle. Jeder Schüler hat ein eigenes Postfach für Briefe, Karten und Päckchen. Leider stellt Carlotta schon von Weitem fest, dass ihres so leer ist, dass sich eine kleine Spinne häuslich darin niedergelassen und ein feines Netz gesponnen hat. Aber wenigstens hält Katie sich an ihr Versprechen und schreibt regelmäßig, wenn auch meistens nur kurze Postkarten mit „Wie geht’s Dir? Mir geht’s gut. Bis bald!“ drauf. Die letzte Gummibärchenlieferung liegt auch schon zwei Wochen zurück. Carlotta nimmt sich vor, ein ernstes Wörtchen mit ihrer Freundin zu reden. Ohne Gummibärchen läuft gar nichts!
Um sich von der Warterei auf die Gummibärchen und Papas Reisetagebuch abzulenken, verbringt sie viel Zeit mit Sofie, Manu und den Welpen. In jeder freien Minute schleichen die drei Mädchen unauffällig zu dem alten Gewächshaus, um Smilla, Meggie und Mo zu füttern und mit ihnen zu spielen.
Die jungen Hunde bekommen inzwischen Dosenfutter und werden mit jedem Tag lebhafter und unternehmungslustiger.
„Lange kann ich sie nicht mehr verstecken“, jammert Manu. „Sie brauchen viel mehr Platz und Auslauf.“
„Hast du schon im Reitstall gefragt, ob du sie dort hinbringen kannst?“, fragt Sofie. Meggie krabbelt auf ihrem Schoß herum und knabbert an ihren langen Haaren.
Manu schüttelt betrübt den Kopf. „Der Stallmeister hat’s verboten. Er will nicht noch mehr Viecher auf dem Hof haben, hat er gesagt.“ Sie krault Smilla und Mo. „Außerdem hat er zwei große Jagdhunde. Die würden die Kleinen wahrscheinlich als Leckerbissen betrachten und ratzfatz auffressen. Und dann ist da auch noch dieser fiese Stallhelfer, der die drei umbringen wollte. Nee, das geht gar nicht.“
„Hm, das ist blöd.“ Carlotta runzelt die Stirn und überlegt. Es muss doch eine Lösung geben,
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