Internat Lindenberg - Achtung, es spukt
eingegriffen. Ein Machtwort gesprochen. Oder wenigstens irgendeine Erklärung verlangt. Aber Herr Jacobs traute sich nicht. Er warf ihnen stattdessen nur kurz ein gequältes Lächeln zu und blubberte unverdrossen weiter vor sich hin, irgendwas von Vertrauen und gegenseitiger Fairness und wie er sich auf die Zusammenarbeit freue. Von Freude war bei ihm allerdings nicht viel zu bemerken. Die Schülerinnen schienen irgendetwas an ihm komisch zu finden. Was, das konnte er sich nicht erklären. Aber das reichte, um ihn von Minute zu Minute nervöser und unsicherer werden zu lassen. Als die Stunde dem Ende zuging, hatte er das Stück Kreide in seinen Händen fast vollständig zu Staub zermahlen.
„Mein Motto: Where there is a will there is a way“, verkündete Herr Jacobs zum Abschluss unverdrossen.
„Where there is a Kreide there is a Schwamm!“, rief Angelikas Banknachbarin und Zimmergenossin Jennifer in die Runde. Herr Jacobs warf ihr einen ratlosen Blick zu und verabschiedete sich.
„Na, das kann ja heiter werde n …“, seufzte Hanna.
„Der Mann wird sich noch wundern“, hörte Leonie Jennifer sagen. Und Angelika bestätigte: „Mit dem werden wir noch viel Spaß haben!“
„Ich würde zu gerne sehen, was er für ein Gesicht macht, wenn ihm jemand sagt, wie er aussieht“, meinte Leonie.
Dazu kam es nicht. Nina sah, wie Herr Jacobs im Lehrer-WC verschwand und kurze Zeit später mit knallrotem Kopf wieder herauskam, sich wie ein Dieb verstohlen nach allen Seiten umblickte und so unauffällig wie möglich in Richtung Lehrerzimmer stapfte.
Nächtliches Theater
Die nächsten Tage vergingen, ohne dass irgendetwas Besonderes passierte. Außer man rechnete dazu, dass Herr Jacobs immer mehr zur Lachnummer der ganzen Schule wurde. Aber nach seinem ersten Auftritt war das ja eigentlich auch kein Wunder.
Obwohl es viele Eltern gerne anders gehabt hätten, waren Handys im Internat nicht verboten. Sie mussten allerdings auf den Zimmern bleiben, es war streng verboten, sie mit in den Unterricht zu nehmen. Trotzdem kursierte nach einer Woche ein heimlich aufgenommenes Foto von Herrn Jacobs mit Kreidespuren im Gesicht. Den Hintergrund konnte man nicht besonders deutlich sehen, aber Leonie erkannte als erfahrene Fotografin sofort an der Richtung, aus der das Licht auf sein Gesicht fiel, dass das Bild nicht in ihrem Klassenzimmer entstanden sein konnte. Das war beruhigend. Erschreckend war dagegen, dass der Referendar diese Nummer mit der Kreide anscheinend gleich mehrmals abgezogen hatte. Auweia, das musste man erst einmal schaffen! Einen Wettbewerb zum M r Cool würde der gute Herr Jacobs niemals gewinne n …
Natürlich blieb dem Referendar sein zweifelhafter Ruhm auch nicht lange verborgen. Und ausgerechnet in Leonies Klasse wurde dabei noch kräftig nachgeholfen. Eines schönen Mittwochs lag vor der Englischstunde ein kleines Päckchen, liebevoll in Geschenkpapier verpackt, auf dem Pult. Herr Jacobs bemerkte das Ding sofort, war sich aber offenbar unschlüssig, was er damit anfangen sollte. Also begann er zunächst mit dem Unterricht und versuchte, von ein paar misstrauischen Blicken abgesehen, das Päckchen nicht zu beachten. Doch schließlich siegte die Neugier über das Misstrauen und er war so unvorsichtig, es vor der gesamten Klasse auszupacken. Seine Erleichterung, als kein Knallkörper losging, während er es öffnete, wich nur zu bald kalter Wut. Angelika Ecker und ihre Freundinnen hatten ihre Gaben mit Bedacht ausgewählt. Herr Jacobs beförderte einen kleinen Taschenspiegel und eine Packung Kosmetik-Feuchttücher „zur absolut porentiefen Reinigung, auch unterwegs“ ans Tageslicht.
„Sehr witzig“, grummelte er verärgert, während sich die Klasse vor Lachen bog.
Herr Jacobs versuchte sich möglichst wenig von seiner Wut anmerken zu lassen und verlor kein weiteres Wort mehr über den Vorfall, während Angelika ihren Triumph in vollen Zügen genoss.
Als sie am Abend an der Essensausgabe für den Nachtisch anstanden, konnten Leonie und Hanna Fetzen eines Gesprächs am Lehrertisch belauschen.
„Wie man hört, haben Sie gewisse Probleme“, wandte sich Herr Weiß, der ebenfalls nicht besonders beliebte Physiklehrer, an seinen jungen Kollegen Jacobs.
„Ich habe die Lage unter Kontrolle“, versetzte dieser. „Ein paar Anfangsschwierigkeiten, aber keine Sorge, das wird denen bald langweilig werden.“
Madame Bleu, deren ganz besonderer Liebling Herr Jacobs war, stimmte ihm begeistert zu.
„Ich
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