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Internet – Segen oder Fluch

Internet – Segen oder Fluch

Titel: Internet – Segen oder Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Sascha Lobo
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«Alles wird schlechter / Alles wird besser»-Argument für Menschen mit Geschichtskenntnissen. Umberto Eco fragt: «Wie sollen wir diejenigen, die das Ende der Welt kommen sehen, davon überzeugen, dass andere, in der Vergangenheit, es auch schon so gesehen haben, und das in jeder Generation? Dass es sich um eine Art wiederkehrenden Traum handelt, wie zum Beispiel davon, dass uns die Zähne ausfallen oder wir nackt auf der Straße stehen? Nein, wird man antworten, diesmal ist es viel ernster.» Und so geschieht es auch, zum Beispiel in Joseph Weizenbaums «Macht der Computer»: «Aber wie jede Zeit dieselben Kassandrarufe vernommen hat, so hat auch jede Zeit gelernt, als wie wenig prophetisch sie sich stets herausstellen sollten. Es sind sehr viele Zivilisationen vernichtet worden, doch nie die ganze Menschheit. Aber diesmal ist es anders.» Es wird nicht helfen, in eine dritte Runde zu gehen und seinem Argument vorauszuschicken: «Ich weiß, meine Befürchtung ist ein alter Hut, und ich weiß, dass auch alle meine Vorgänger behauptet haben, diesmal sei es anders. Aber DIESMAL ist es WIRKLICH anders!» Vielleicht ist es diesmal wirklich anders. Aber durch den Gebrauch dieser Formel befördert man die Glaubwürdigkeit seiner Argumentation so sehr wie durch das Verteilen von Flugblättern in sechzehn Farben und zwölf Schriftarten, darunter Comic Sans.
     
    «Ich kann mir nicht vorstellen, dass …»
    «[E]ine Wiedervereinigung», schrieb der Historiker und Publizist Sebastian Haffner 1987 , «in der beide deutsche Staaten, so wie sie nun einmal sind und geworden sind, zu einem funktionierendem Staat verschmolzen würden, ist nicht vorstellbar, nicht einmal theoretisch.» Ebenso erging es dem britischen Science-Fiction-Autor H. G. Wells 1901 mit dem U-Boot: «Ich kann meine Vorstellungskraft noch so sehr bemühen; sie weigert sich, mir ein Unterseeboot zu zeigen, das nicht seine Besatzung ersticken und kentern müsste». Der Regalbau-Unternehmer Jan Paschen wird im September 2011 im Börsenblatt des deutschen Buchhandels mit dem Satz zitiert: «Eine Welt ohne Bücher kann ich mir nicht vorstellen.» Die menschliche Vorstellungskraft klebt zu sehr an den eigenen Erfahrungen und den gegenwärtigen Verhältnissen. Und wenn der eigene Beruf wesentlich auf dem Nichteintreten des Unvorstellbaren beruht, ist sie sogar noch etwas unzuverlässiger als sonst. Argumente, die mit dieser Formel anfangen, machen immerhin kenntlich, dass es sich um eine rein subjektive Aussage handelt. Das ist aber auch ihr einziger Vorzug.
     
    «Eigentlich ist es doch ganz einfach.»
    Nein. Ist es nicht. Rein theoretisch wäre es zwar möglich, dass Sie einen einfachen Ausweg entdeckt haben, der den bisherigen Diskussionsteilnehmern komplett entgangen ist. Wesentlich wahrscheinlicher ist aber, dass Sie noch zu wenig über das Thema wissen. Kein Problem, über das erwachsene Menschen länger als eine halbe Stunde diskutieren, hat eine einfache Lösung. Eine andere Möglichkeit: Ihre Lösung ist zwar wirklich ganz einfach, aber dafür umso schwieriger umzusetzen: «Man bräuchte Israel einfach nur zweimal! Dann hätten die Palästinenser und die Israelis ihr eigenes!»
     
    «Es kann doch nicht sein, dass …»
    Doch. Kann es doch. Dieses Argument bedeutet eigentlich «Ich möchte nicht, dass die Welt so eingerichtet ist, dass …». Die Welt kümmert sich aber nicht in perfekter Fürsorglichkeit um das, was ihre Bewohner sich wünschen. Die Urheber von Werken, die einige Menschen sehr glücklich machen, können davon nicht immer leben. Ein funktionierendes Rechtssystem garantiert selbst in Ländern, in denen man sich aktiv darum bemüht, nicht in allen Fällen das Ergebnis, das alle Beteiligten als gerecht empfinden. Und das sind noch die Zustände in den gut eingerichteten Ländern. Anderswo kann es passieren, dass man nachts aus dem Bett geholt und an die Wand gestellt wird. Man hat gerade noch Zeit, «Aber es kann doch nicht sein, dass …» zu sagen, dann wird man von einem auf mehrere hundert Meter pro Sekunde beschleunigten Metallstück darüber informiert, dass man gerade ein mäßig überzeugendes Argument gebraucht hat. Respekt vor dem, was alles SEIN KANN , führt zu größerer Achtung vor den gesellschaftlichen Leistungen, die hin und wieder trotzdem etwas einigermaßen Konstruktives geschehen lassen.
     
    «Wer was anderes behauptet, ist dick!»
    « EDV -Narren», so konnte man 1997 im
Spiegel
lesen, «genießen nicht nur den

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