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Internet – Segen oder Fluch

Internet – Segen oder Fluch

Titel: Internet – Segen oder Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Sascha Lobo
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Kick beim Klick, sie sind durchweg tolerant, lebhaft und kommunikativ. Gestörte Geister hingegen finden sich vorzugsweise unter Elektronik-Muffeln. Einsame, gestresste und frustrierte Zeitgenossen neigen zum Misstrauen gegen die moderne Technik.» 1983 war am selben Ort das Gegenteil zu lesen gewesen: «Die Computer-Freaks sitzen nächtelang vor dem Bildschirm, haben kaum Kontakt zu ihrer Umwelt und lassen sich in Vorlesungen nur sporadisch blicken – entsprechend schlecht schneiden sie, obwohl häufig hochbegabt, bei den Examen ab. … Angezogen vom Computer würden vornehmlich introvertierte Naturen, meint Reynolds, ‹weil der Umgang mit dem Gerät keine sozialen Konflikte erwarten lässt›.» Die Weltanschauung oder Lebensweise anderer Menschen wird aber nicht dadurch falsch, dass diese Menschen einsam, gestresst, frustriert, introvertiert, ängstlich, schlecht frisiert, arm oder hässlich sind.

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    2. Das Internet ist ein rotes Auto
    Wie Metaphern und ihre Geschwister Diskussionen erschweren
    ich sage ja, das internet ist wie ein übergewichtiger männlicher gogo-tänzer in güldenen paillettenhotpants.
    @hormonlotto, Twitter, 3 . Mai 2010
    Irgendwo im Hinterkopf, in der Nähe der Sehrinde, ist die Mustererkennung im Gehirn angesiedelt. Sie ermöglichte es zum Beispiel, einen Säbelzahntiger auch dann als solchen zu erkennen, wenn er zum größten Teil vom Steppengras verdeckt war. Dieser Vorgang ist nachvollziehbarerweise für den schadensfreien Fortbestand des Körpers um das Gehirn herum so wichtig, dass dieses ab und zu erheblich übertreibt und Muster auch dort hineininterpretiert, wo eigentlich keine sind. Besser, man rennt dreimal vor dem tigerartigen Schatten eines Busches weg als einmal nicht vor dem buschartigen Schatten eines Tigers. Das kann sogar zu einer regelrechten Mustersucht des Gehirns führen, der Pareidolie, bei der jede Wolkenformation aussieht wie der späte Elvis (was in diesem speziellen Fall aber auch ein bisschen am späten Elvis liegen könnte).
    Die Fixierung auf die Wiedererkennung von Mustern ist keine rein visuelle Angelegenheit, sondern gilt eigentlich für alle Arten von Reizen. Manchmal konnte man den Säbelzahntiger nämlich nur hören. Eine beliebige Wahrnehmung wird mit der Erinnerung abgeglichen, das Gehirn ergänzt dann die restlichen Informationen. Das passiert weitgehend automatisch, was ein weiterer Evolutionsvorteil ist, denn Mustererkennung geschieht andauernd im Hintergrund. Glücklicherweise. Denn obwohl Säbelzahntiger ausstarben, bevor die Wissenschaft so richtig in Gang kam, sind die meisten Paläontologen überzeugt, dass diese gefährlichen Raubtiere sich selten vorher schriftlich ankündigten. Sondern überraschend gerade dann in die Szenerie platzten, wenn es eigentlich nicht so richtig passte.
    Das ständige Wahrnehmungspuzzeln des Gehirns bewährte sich so sehr, dass es ein wenig umgebaut ins Standardrepertoire der menschlichen Informationsverarbeitung aufgenommen wurde: Es handelt sich um die Assoziation. Als sich schließlich die Sprache entwickelte, bahnte sich die Mustererkennung auch darin ihren Weg. Das Gehirn gleicht alle neuen Reize mit bereits bekannten ab. So entstand der sprachliche Vergleich. Das gerade erst entdeckte X ist so ähnlich wie das schon bekannte Y. Vermutlich war das die Geburtsstunde der bekanntesten und beliebtesten Sprachfigur überhaupt, der Metapher. Der gewaltige, anhaltende Erfolg der Metapher ist in ihrer großen Benutzerfreundlichkeit begründet: Mit leicht zugekniffenen Augen lässt sich praktisch alles Neue mit ein, zwei Vergleichen in Grund und Boden erklären. Die ersten nach Europa gelangten Papageien nannte man «indische Raben», obwohl sie weder Raben waren noch aus Indien kamen, Giraffen wurden im alten Rom wie auch in Deutschland als «Kameloparden» bezeichnet, weil sie safariungeübten Augen offenbar wie eine Mischung aus Kamel und Leopard erschienen, und das Flusspferd muss bis heute mit einem holpernd dahinverglichenen Namen zurechtkommen.
     
    Auch für das Internet spielte die Metapher von Beginn an eine große Rolle. Ganze metaphorische Welten wurden bemüht, um in den neunziger Jahren diese neuartige, digital vernetzte Sphäre zu beschreiben. Die nautische Metaphorik zum Beispiel, die einen entscheidenden Schub bekam, als die Bibliothekarin Jean Armour Polly 1992 in der Juni-Ausgabe des
Wilson Library Bulletin
erstmals den Begriff «surfen» verwendete, um das Sich-Herumtreiben

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