Interview mit dem Tod - Domian, J: Interview mit dem Tod
Das ist zumindest meine Einschätzung.
In Deutschland ist aktive Sterbehilfe verboten. Darunter versteht man im juristischen Sinne »Tötung auf Verlangen«, was mit bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet wird. In Luxemburg, Belgien und den Niederlanden ist diese Art der Sterbehilfe straffrei. Der Arzt verabreicht dem Patienten ein tödlich wirkendes Medikament, meist in Form einer Spritze. Dafür allerdings müssen strenge Voraussetzungen erfüllt sein.
Die wichtigste ist der eindeutige und nachweisliche Wille des Betroffenen. Zudem muss sich der Patient in der Endphase seines Lebens befinden oder wegen unerträglicher Leiden, für die es keine Linderung mehr gibt, eine aussichtslose Notlage für sich reklamieren. Des Weiteren ist vorgeschrieben, dass immer zwei Ärzte entscheiden, ob aktive Sterbehilfe geleistet werden darf. Sie müssen sich in der Beurteilung des Patienten und seines Krankheitszustandes einig sein. Nach dem Tod des Patienten besteht die Pflicht, den Fall einer Kommission zu melden, die die Rechtmäßigkeit der durchgeführten Sterbehilfe prüft.
Ebenfalls in Deutschland verboten ist die so genannte Beihilfe zur Selbsttötung , auch begleiteter Suizid genannt . In diesem Fall wird dem Patienten ein tödlicher Trunk bereitgestellt, den er aber völlig eigenständig zu sich nehmen muss. Dabei ist er der Aktive. Niemand darf ihm das Gift einflößen, es ist nicht einmal gestattet, ihm das Glas an den Mund zu führen. In der Schweiz ist diese Variante der Sterbehilfe erlaubt, ebenso in einigen Bundesstaaten der USA. Die Organisation und Durchführung dieses begleiteten Freitodes übernehmen in der Schweiz Sterbehilfeorganisationen wie Exit oder Dignitas . Diese arbeiten nach klar umrissenen Vorgaben. So muss, wer zum Beispiel bei Dignitas Sterbehilfe in Anspruch nehmen will, dort Mitglied sein, muss dem Verein ausführliche
medizinische Informationen, wie Befunde, Gutachten und ärztliche Dokumente, zukommen lassen, und man muss sowohl telefonisch als auch schriftlich den Sterbewunsch detailliert darlegen können.
Die letzten zwei Tage im Leben eines schwerstkranken Menschen folgen dann einem streng geregelten Ablauf: Der Betroffene muss einen Tag vor der geplanten Selbsttötung bereits in der Schweiz vor Ort sein, um ein Gespräch mit dem Arzt zu führen, der am nächsten Tag das Rezept für das tödlich wirkende Medikament Natrium-Pentobarbital ausstellt. Dieser Arzt kennt bereits sämtliche Krankenakten und ist über den körperlichen und seelischen Zustand des Patienten informiert. Am Todestag sucht der Betroffene eine von Dignitas angemietete Wohnung auf, wo er von Mitarbeitern der Organisation empfangen wird. Sie führen ihn in ein nüchtern eingerichtetes Sterbezimmer mit Bett, Sesseln, Stühlen und einem Tisch. Ein letztes Mal muss der Todkranke seinen Willen zu sterben bekunden, indem er diese Erklärung unterschreibt: »Nach reiflicher Überlegung mache ich, der ich hoffnungslos krank bin, heute von meinem Recht Gebrauch, selbst über die Beendigung meines Lebens zu bestimmen.« In Anwesenheit der begleitenden Angehörigen und mindestens zweier Dignitas -Mitarbeiter nimmt der Betroffene den tödlich wirkenden Trunk zu sich. Dies wird aus juristischen Gründen von einer Videokamera dokumentiert. Der folgende Sterbeprozess
allerdings nicht. In der Regel dauert es zwei bis fünf Minuten, bis der Kranke das Bewusstsein verliert, und insgesamt etwa zwanzig Minuten, bis dann der Tod eintritt.
Dignitas werden immer wieder kommerzielle Interessen vorgeworfen, kostet doch eine Freitodbegleitung mittlerweile zwischen sechs- und siebentausend Euro. Der Verein bestreitet dies allerdings vehement und unterstreicht, dass alle Mitarbeiter ehrenamtlich tätig seien und selbst die für Dignitas arbeitenden Ärzte auf ihr Honorar verzichteten. Gezahlt werde für die Mitgliedschaft im Verein, für das Medikament, für die Verbrennung im Krematorium und gegebenenfalls für die Heimführung der Urne.
In Deutschland dürfte man zwar dem Kranken ebenfalls eine tödlich wirkende Arznei bereitstellen, müsste dann aber sofort den Raum verlassen, da man sonst, nachdem der Patient das Mittel zu sich genommen hat, eine strafrechtliche Verfolgung wegen unterlassener Hilfeleistung zu fürchten hätte.
Im Klartext: Ich stelle dem Kranken den Todestrunk hin, er trinkt ihn – und sofort muss ich den Krankenwagen anrufen, damit dem Sterbewilligen der Magen ausgepumpt wird. Eine absurde
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