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Interview mit dem Tod - Domian, J: Interview mit dem Tod

Interview mit dem Tod - Domian, J: Interview mit dem Tod

Titel: Interview mit dem Tod - Domian, J: Interview mit dem Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Domian
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wirken sie schrecklicher, weil sie die Köpfe von Tieren haben. Aber auch bei ihnen handelt es sich um Projektionen deines eigenen Gehirns. Als solche musst du sie erkennen. Genauso kannst du sie mit deinen Schutzgottheiten identifizieren ...
    Erkenne, dass alles, was im Bardo vor deinen Augen auftaucht, eine Manifestation deines Unterbewusstseins ist.«
    Wenn der Verstorbene dies wirklich und tief erkennen kann und sein Karma entsprechend gut ist, so findet er Erlösung und Befreiung.
     
    Jener Verstorbene aber, der am vierzehnten Tag nach seinem Tod den Bardo nicht verlassen konnte, geht nun ein in den dritten Bardo-Zustand, den Sipa-Bardo, dieser dauert bis zum neunundvierzigsten Tag. Hier wird die Seele konfrontiert mit dem Totenrichter, den man vereinfacht als das Gewissen des Toten deuten kann.
    Im Bardo Thödol heißt es dazu: »Der Totenrichter schlingt einen Strick um deinen Hals und zerrt dich weg. Er schlägt deinen Kopf ab
und reißt dein Herz und deine Eingeweide heraus. Er schlürft dein Gehirn aus und trinkt dein Blut. Er verschlingt dein Fleisch und benagt deine Knochen. Aber du bist unfähig zu sterben. Selbst wenn dein Körper in Stücke zerhackt wird, erholt er sich wieder. Das wiederholte Zerhacken bereitet furchtbaren Schmerz und ungeahnte Qual.«
    In dieser Situation hat das Totenbuch das Anliegen, die Seele des Verstorbenen unbedingt zu beruhigen und sie durch gezielte und ausführliche Unterweisungen von dem Einzug in einen neuen Mutterleib abzuhalten: »... Bete. Identifiziere all diese schrecklichen Erscheinungen mit deinen Schutzgottheiten oder dem Herrn der Barmherzigkeit ... höre auf, krampfhaft nach einem neuen Körper zu suchen. Dies führt nur zu neuen Leiden ...«
    In den meisten Fällen allerdings werden die Unterweisungen nicht fruchten, da der Geist des Verstorbenen im Sipa-Bardo in einer äußerst konfusen Verfassung ist und er den Bardo so schnell wie möglich verlassen möchte. Dann geht es nur noch darum, das Schlimmste zu vermeiden. Also zum Beispiel eine Wiedergeburt als Tier – oder als nicht klar beschriebenes Wesen in der Hölle. Diese »Hölle« ist sicher nicht im christlichen Sinne zu verstehen. Dennoch handelt es sich um einen schrecklichen und grauenerregenden Ort.

    Die letzten Worte des Tibetischen Totenbuches lauten: »Durch diese Auserwählte Lehre erreicht man Buddhaschaft im Augenblick des Todes ... es gibt keine Lehre, die diese überträfe. Damit sind die Tiefen Herztropfen der Bardo-Lehre, genannt der Bardo Thödol , der verkörperte Wesen befreit, beendet.«
     
    Ich habe lange darüber nachgedacht, warum mich dieses mysteriöse Buch damals, trotz seiner Glaubensdogmen, so sehr anzog. Wahrscheinlich war es die Faszination darüber, wie präzise und absolut ernsthaft die Nach-Tod-Welt darin beschrieben wird. Jede Aussage, jede Drohung, jeder Trost scheinen von tiefer Gewissheit getragen zu sein. Der Verfasser weiß ganz genau, wovon er spricht. Kein einziger Satz duldet Zweifel. Und es ist schon atemberaubend, was wir da alles lesen: Der Tote ist in der Lage, seinen eigenen Leichnam genau in Augenschein zu nehmen. War er zu Lebzeiten blind oder taub, jetzt als Geistwesen kann er während der neunundvierzigtägigen Bardo-Zeit perfekt sehen und hören. Er besitzt sogar übernatürliche Fähigkeiten. Im Totenbuch heißt es: »... Du hast deinen früheren Körper endgültig abgestreift, dein jetziger Körper besteht nicht mehr aus Materie. Mit ihm kannst du ungehindert massive Felsen, Hügel, Gesteine und Häuser durchqueren ... du kannst in einem Augenblick die vier Kontinente durchqueren. In dem Zeitraum, in dem ein lebender
Mensch gerade die Zeit hat, seinen Arm zu beugen oder zu strecken, transportierst du deinen ganzen Körper an jeden beliebigen Ort.«
    Der Tote hat zudem die Fähigkeit, die Gedanken der Lebenden zu lesen – sprechen allerdings kann er nicht mit ihnen. Sollte er dies doch versuchen, so wird er scheitern. Die Lebenden können ihn weder sehen noch hören, egal was er tut. Dafür aber nimmt er andere Verstorbene im Bardo wahr – und die wiederum können auch ihn sehen. Jedoch gilt es, sich von diesen »Schicksalsgenossen« fernzuhalten, da sie nie hilfreich sind und eine ablenkende Wirkung haben.
     
    Interessant fand und finde ich das Deutungsmodell des Totenbuches. Alles ist auf die Seele bzw. Psyche des Verstorbenen zurückzuführen. In allem, was er sieht und fühlt, drückt sich das eigene Unterbewusstsein aus.
    Vieles davon

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