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Interview mit dem Tod - Domian, J: Interview mit dem Tod

Interview mit dem Tod - Domian, J: Interview mit dem Tod

Titel: Interview mit dem Tod - Domian, J: Interview mit dem Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Domian
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erklärte die Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirchen Deutschlands: »Jede Form der Tötung auf Verlangen ist aus grundsätzlichen Erwägungen abzulehnen. Die aktive Beendigung des Lebens, auch wenn es schmerzgeplagt ist, verstößt gegen Gottes Gebot. Kein Arzt, Sterbebegleiter oder Angehöriger darf sich zum Herrn über Leben und Tod aufschwingen ... Zum Humanum gehört es, sich auch dem Elend zu stellen, das mit dem Sterben verbunden sein kann.«
    Ähnlich äußerte sich von katholischer Seite der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker: »Jeder Suizid, auch die Beihilfe zum Suizid, stellt nicht nur eine Entwertung des menschlichen Lebens dar, sondern ist auch ein Angriff auf die unveräußerliche Würde des Menschen.«

    Die Stigmatisierung der Selbsttötung hat in der Kirche eine lange und traurige Tradition. So wurden im Mittelalter die Leichname von Menschen, die sich selbst getötet hatten, entehrt und verstümmelt. Man hackte ihnen, quasi als nachträgliche Strafe, die Hände ab – oder trieb ihnen einen Holzkeil durch den Kopf oder die Brust. Noch bis weit ins zwanzigste Jahrhundert hinein gewährte die Kirche so genannten Selbstmördern kein kirchliches Begräbnis und auch keine Grabstelle neben den »guten Christen«. Die Leichname wurden diskret in einer Ecke oder am Rande des Friedhofs beerdigt, oftmals in der Nähe totgeborener oder ungetaufter Kinder, denn diese waren nach damaliger Auffassung mit der Erbsünde behaftet und gehörten nicht in die Gemeinschaft der Christen. Diese radikale Haltung gegenüber der Selbsttötung wirkt bis heute, wenn auch stark abgemildert, in den Kirchen nach. Man stürzt die Menschen in einen ungeheuren Gewissenskonflikt, obwohl in der Bibel keine einzige Stelle zu finden ist, die den Suizid ausdrücklich verurteilt. Die Kirchenvertreter beriefen und berufen sich stets auf das fünfte Gebot: Du sollst nicht töten.
    Ich möchte mich hier auf keine weiteren theologischen Argumentationen einlassen, die mich im Grunde auch nicht interessieren. Ich bin kein Christ mehr und ich wünsche mir ohnehin weniger Einfluss der Kirchen auf gesellschaftlich relevante Prozesse
und Entscheidungen. Dennoch stehen mir die christlichen Grundwerte, allein schon wegen meiner Vergangenheit, sehr nahe. Zum Beispiel die Tugend der Barmherzigkeit. Sie hat mich immer beeindruckt, und ich habe höchsten Respekt vor Menschen, die sich barmherzig verhalten.
    Daher vertrete ich heute eine Auffassung, die ich auch damals als Christ vertreten hätte: In Ausnahmesituationen steht das Gebot der Nächstenliebe über dem Gebot »Du sollst nicht töten«.

    Gesprächsprotokoll
    Bevor wir uns weiter unterhalten, möchte ich dich noch etwas Persönliches fragen.
    Bitte.
    Du erscheinst mir allwissend. Auf alle Fragen, die ich dir bisher gestellt habe, gabst du mir sofort eine Antwort. Weißt du wirklich alles?
    Oh nein, ich bin doch nur der Tod.
    Sehr kurze Gesprächspause
    Aber ich weiß alles, was euch Menschen betrifft. Dir mag das viel erscheinen, im Ozean des Wissens jedoch ist es nicht mehr als ein Regentropfen.
    Darf ich fragen, was du nicht weißt?
    Fragen darfst du es – aber es gibt darauf keine Antwort. Man kann mit keinem Menschen über transzendente Geheimnisse sprechen. So wie du mit keiner Ameise über Kants Kategorischen Imperativ reden kannst – selbst, wenn du es wirklich wollen würdest.
    Mit wem sprichst du denn, wenn es um diese überirdischen Geheimnisse geht?
    Mein Freund, so kommen wir nicht weiter. Ich muss dich enttäuschen, denn all das entzieht sich vollkommen deiner Vorstellungskraft. Sprechen gehört übrigens nicht zu meiner Natur. Der Tod ist stumm. Nur hier und jetzt bediene ich mich der menschlichen Sprache, deinetwegen. Bleiben wir also bei den menschlichen Angelegenheiten.
    Gut. Dann möchte ich auf einen Satz zu sprechen kommen, den du im Laufe unseres Gespräches geäußert hast: Es gibt keine Gegensätze ... alles beinhaltet auch immer das Gegenteil.
    Genau so ist es.
    Das verstehe ich aber nicht. Es gibt doch zum Beispiel den eindeutig guten Menschen – und den eindeutig bösen Menschen. Also sind sie Gegensätze!
    Beide jedoch sind sie Menschen.
    Und somit vollkommen gleichwertig?
    Natürlich.
    Du stellst Mutter Teresa und Hitler auf eine Stufe?
    In ihrem Menschsein ja, in ihrem Handeln nicht.
    Warum gibt es das Böse?
    Das, was du das Böse nennst, ist die Kehrseite des Guten, beides aber ist Ausdruck des Seins – und im Sein gibt es

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