Interview mit einem Verführer - Caprice: Erotikserie (German Edition)
ruhig an, nahm die Seite und begann zu lesen. Während er das tat, hatte Maren Zeit, sich den Mann, von dem sein Enkel behauptete, dass er auf Ehre und einen guten Ruf Wert legte, zu beobachten. Malzer senior war ein zierlicher Mann, seine Haut faltig und die Hände, mit denen er die Textseite hielt, waren zittrig und mit Altersflecken übersät. Die tiefliegenden Augen huschten über den Artikel, und im nächsten Augenblick verdunkelten sich seine Züge. Er nickte und schob das Blatt zur Seite. Sein Nebenmann griff danach und im nächsten Moment sprang dieser wütend auf und sah in Richtung Arndt. »Was erlauben Sie sich?«, brüllte der entsetzte Mann.
Arndt sah verständnislos von einem zum anderen, und auch Charlotta di Giorgio trug einen nicht besonders intelligenten Gesichtsausdruck zur Schau. Arndt griff nach dem Blatt, las und wechselte augenblicklich die Gesichtsfarbe von rot zu weiß und wieder zurück. »Das ist eine Unterstellung«, begann er zu stottern und blickte gehetzt in die Runde. »Da will mich jemand diffamieren.«
Maren hüstelte gekünstelt und legte ein weiteres Papier auf den Tisch. Sie hatte nicht alles von dem begriffen, was Hannes ihr in Bezug auf diese Rückversicherungsgeschichte erklärte hatte, aber sie hoffte, dass das, was sie verstanden hatte, ausreichen würde, um die Sache hier so elegant wie möglich über die Bühne zu bringen. »Wie Sie sehen, ist dies die Kopie eines Rückversicherungsscheins für den Fall, dass das Label »Steward Granger« zahlungsunfähig wird. Über …«, sie tat, als müsse sie noch einmal nachsehen, »über 5 Millionen Euro. Zahlbar an Arndt Jäger und Charlotta di Giorgio. Das Original dazu befindet sich in unseren Unterlagen.« Sie wandte sich an Malzer senior. »Wie stehen Sie zu diesen desaströsen Wettgeschäften auf Konkurse?«, fragte sie mit unterdrückter Wut. Natürlich wusste sie, dass es so etwas gab. Aber dass so etwas in ihrer direkten Umgebung praktiziert wurde, empörte sie noch immer.
»Frau Janson«, sagte Malzer senior sehr ruhig zu ihr, »wenn ich bitten dürfte?« Er hatte sich langsam erhoben, reichte ihr eine Hand und führte sie zur Tür. Normalerweise hätte Maren sich gewehrt, doch da war etwas im Blick des alten Mannes, das sie mitgehen ließ. An der Tür blieb Malzer stehen, zückte sein Handy und wählte eine Nummer. »Ja, Frau Schneider, rufen Sie bitte die Kriminalpolizei an. Es geht um einen internen Betrugsfall.« Erneute wandte er sich an Maren. »Bitte«, sagte er und führte sie schweigend in sein Büro.
»Sie sagen mir nichts Neues«, sagte er mit bitterem Unterton. »Ich hege schon länger den Verdacht, dass Herr Jäger der Meinung ist, wir sollten uns der schönen neuen Zeit des Konsums weiter öffnen. Um es mal sehr höflich auszudrücken. Kaffee?« Maren nickte, und Herr Malzer schenkte ihr eine Tasse ein. »Zucker?« Sie schüttelte den Kopf, nahm die Tasse und lehnte sich zurück. »Darf ich fragen, wie Sie auf diese Sache gekommen sind?«
Maren nahm einen Schluck, bevor sie antwortete. »Ich berichte im Moment über dieses Label, und da sind mir einige Dinge zu Ohren gekommen, die mich stutzig machten. Zum einen war da die Tatsache, dass eine verstoßene Frau ein Gerücht in die Welt setzt und somit keine Skrupel hat, ihren ehemaligen Liebhaber in die Pleite zu jagen. Gerüchte haben in der Branche tödliche Wirkungen.«
»Nicht nur in dieser Branche«, sagte Malzer mit bitterem Lächeln. »Ein falsches Wort zur richtigen Zeit, und ein altes Bankhaus, das beinahe hundert Jahre gut mit seinen Kunden zusammengearbeitet hat, ist vernichtet.« Er sah auf und in Marens Augen, dann lachte er heiser. »Nein, wir stehen nicht am Abgrund, aber im Laufe unseres Bestehens waren wir häufig kurz davor. Ich kenne also die Ängste des Mannes – wie heißt er? Steward Granger?« Über das Gesicht des alten Mannes huschte ein Lächeln und der Anflug von Anerkennung. »Erinnert mich an einen hervorragenden Schauspieler aus meiner Jugend«, sagte er nachdenklich und in alten Zeiten schwelgend.
»Nein«, sagte Maren leise, »er heißt Robert Kleinschmidt und ist ein großer Fan dieses Gentleman-Darstellers. Und weil ein Gentleman die Frauen auf besondere Art und Weise zu schätzen weiß, verkörpert der Name des Schauspielers die Intention, die er mit seinem Label verfolgt: Schönheit und Eleganz jeder Frau zu würdigen.«
Malzer nickte. »Guter Geschmack, der Mann. Aber erzählen Sie bitte weiter.«
Maren stand auf,
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