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Interwelt

Interwelt

Titel: Interwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isidore Haiblum
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hatten. Ich war auf mich selbst gestellt. Allein.
    In meinem Gehirn herrschte immer noch Leere, aber ein bißchen weiter war ich doch gekommen. Ich hatte Joe Rankin erkannt – wer immer das auch gewesen war. Und ich wußte, daß ich ein Zuhause in der Stadt hatte. Ich brauchte es bloß noch zu finden.
    An der nächsten Ecke suchte ich nach dem Straßenschild – aber es gab keines. Ein schwaches Licht schimmerte aus der Mitte des nächsten Häuserblocks durch den Nebel. Also war irgend jemand noch auf. Zielstrebig eilte ich auf das Licht zu. Meinen Wagen konnte ich morgen auch noch suchen. Erst einmal mußte ich einen Weg hier heraus finden. Da sah ich das Schild: COZY IMBISSSTUBE.
    Das Licht fiel aus den Fenstern der Imbißstube. Drei Männer saßen auf hohen Hockern an der Theke. Der Koch oder Wirt, der seinem Faßbauch nach seine eigene Küche nicht verachtete, stand dahinter. Ich fragte ihn nach dem Weg, und er starrte mich merkwürdig an.
    Einer der drei Gäste – der kleinste – stellte seine Kaffeetasse ab und wandte sich bedächtig nach mir um. Die beiden andern hörten zu essen auf. Während ersterer mich fixierte, fragte der Koch:
    »Haben Sie sich verirrt?«
    »Ja«, bestätigte ich.
    »Und Sie wollen zur U-Bahn?«
    Auch das bestätigte ich.
    Nun drehten sich auch die anderen beiden mir zu. Einer war ein pausbäckiger Mann mittleren Alters, der andere ein junger blonder Bursche mit Adlernase. Beim ersten fiel mir nun auf, daß er ungewöhnlich lange Arme hatte, die von den nach vorn gebeugten Schultern baumelten.
    Der Koch beschrieb mir jetzt, indem er in so ziemlich alle Richtungen deutete, wie ich zur U-Bahnstation kommen konnte. Es war offenbar ziemlich weit dorthin. Ich bedankte mich und verließ die Imbißstube. Die drei Burschen an der Theke starrten mir nach, das spürte ich.
    Irgendwie hatte ich eine Gänsehaut. Ich konnte einfach das Gefühl nicht loswerden, daß ich all diese Kerle von irgendwoher kannte. Vage erinnerte ich mich an ein düsteres altes Haus, auf das der Regen peitschte, an einen Arzt mit Faßbauch, an einen Wärter mit Affenarmen … Und dann war da ein verkommenes Wohnhaus gewesen, wo ein pausbäckiger Mann mittleren Alters und ein blonder junger Bursche mich hatten auslöschen wollen. Aber der Pausbäckige war dann vom Dach hinuntergefallen. Also konnten das doch nicht dieselben Burschen sein, oder? Sie konnten und konnten doch nicht, schien etwas in mir zu flüstern. War wirklich ich es gewesen, den sie an jenem andern Ort hatten auslöschen wollen – oder jemand wie ich? Ich erinnerte mich der Botschaft, die Joe Rankin mit seinem Blut geschrieben hatte: DIE ANDERE WELT. Das war natürlich der Schlüssel. Wenn ich mich nur konzentrieren könnte …
    Hinter mir glaubte ich Stimmengemurmel zu hören, doch als ich mich umdrehte, war außer Nebel nichts zu sehen. Ich kehrte um, ging ein Stück des Weges zurück. Ich wollte mit jenen – wer immer es auch war, die gemurmelt hatten – sprechen, denn bestimmt konnten sie mir den Weg besser beschreiben als der feiste Koch.
    Auf der Straße war es wieder ganz still, nur in der Ferne klagte ein Nebelhorn. Vielleicht waren meine Stimmen angekommen, wohin sie gewollt hatten?
    Ich drehte mich um und ging wieder weiter. Da hörte ich Schritte. Ich blieb stehen. Mit meinen verstummten auch die anderen Schritte. Ich spähte in den Nebel, doch es war nichts zu sehen, außer den Häusern links und rechts.
    Ich setzte mich erneut in Bewegung und ging schneller als bisher.
    Auch die Schritte hinter mir wurden schneller.
    Ich fing zu laufen an.
    Jene hinter mir rannten nun ebenfalls. Ich schaute hastig über die Schulter – und sah sie: drei Männer, die Gäste aus der Imbißstube. Ich raste zum Ende des Häuserblocks.
    Schüsse knallten in der engen Straße. Kugeln schlugen keine fünfzehn Zentimeter von meinem Kopf entfernt in eine Hauswand ein.
    Ich warf mich um die Ecke. Die Dunkelheit und der Nebel waren auf meiner Seite, aber der Häuserblock war lang. Ich bog in eine Gasse ein. Einen Augenblick später rasten die drei daran vorbei. Aber sie würden bald merken, daß ich nicht da war, und umkehren.
    Ich konnte so gut wie gar nichts sehen. Ich tastete mich an der Wand entlang, bis ich zu einem etwa zwei Meter hohen Holzzaun gelangte. Ich zog mich hoch, um mich darüber zu schwingen, als der ganze Zaun nach innen krachte. Ich taumelte auf die Füße und tapste durch die Dunkelheit. Offenbar befand ich mich auf einem unbebauten

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