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Interwelt

Interwelt

Titel: Interwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isidore Haiblum
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sich Saß.
    Neun Münder antworteten mit ja. In der folgenden Stille lauschte ich auf typische Stadtgeräusche. Es gab keine, und das gefiel mir gar nicht. »Kannst du mit deinen Sensoren etwas aufnehmen?« fragte ich Klox.
    »Eine schlafende Stadt, wirklich sehr friedlich. Nicht einmal Luftverkehr. Wenn dieser Grample tatsächlich hier ist, tut er zumindest nichts, was meine Aufmerksamkeit auf ihn lenken würde.«
    Erst im zweiten Haus, an dem wir klopften, öffnete eine weißhaarige Dame die Tür.
    »Madam«, sagte Saß. »Wir sind Besucher von fernen Gefilden und benötigen fünf Minuten Lampenlicht, um einige sehr schwierige Justierungen an – an dieser – ah – Maschine vornehmen zu können. Sie verstehen doch?«
    »Nein«, antwortete die zierliche Dame. »Aber was immer Sie auch verkaufen wollen, wir brauchen es nicht. Doch wenn Sie gern plaudern möchten, dürfen Sie gern hereinkommen.«
    »O vielen Dank, sehr gem.« Wir traten ein und wurden mit dem Hausherrn bekanntgemacht.
    »Das ist Vater«, sagte unsere Gastgeberin.
    »Und das ist Mutter«, erklärte Vater. Er war ein älterer Herr mit grauem Schnurrbart und Brille. Er erhob sich aus seinem bequemen Polstersessel, legte seine Zeitung zur Seite und schüttelte jedem von uns die Hand.
    »Ah«, sagte er zu Klox. »Ein Eisenmann! Habe schon seit Ewigkeiten keinen mehr gesehen. Wir schafften sie ab in den Städten.«
    »Wie schrecklich«, sagte Klox.
    »O nein«, entgegnete Vater und setzte sich wieder. »Die Eisenmänner sind auf den Plantagen viel glücklicher.«
    »Wo sie ihre blechernen Lieder singen und für uns produzieren können«, warf Mutter ein und setzte sich an den Tisch, auf den Saß bereits den Aktivator gelegt hatte, um sich mit ihm zu beschäftigen. Svett und Yalta waren vor den 3D in der Ecke getreten, der Rest meiner Gefolgschaft wanderte neugierig im Wohnzimmer herum, um sich alles anzuschauen.
    »Vielleicht könnten Sie uns sagen, wie es hier bei Ihnen aussieht«, wandte ich mich an unsere Gastgeber.
    »Gern«, versicherten mir beide im Chor.
    »Gibt es zur Zeit Kriege?«
    »Um Himmels willen, nein!« antwortete Mutter.
    »Wie sieht es mit Revolutionen aus?«
    »Wozu denn? Aus welchem Grund?«
    »Nun, vielleicht wegen schrecklicher Ungerechtigkeit. Sind Ihre Mechs glücklich?«
    »Mechs?«
    »Ich meine Ihre Eisenmänner.«
    »Ja, natürlich sind sie glücklich.«
    »Und Ihre Armee? Ist sie regimefreundlich?«
    »Wir haben keine Armee, lediglich eine kleine Miliz.«
    »Wie sieht es mit Slums aus? Polizeibrutalität? Despotismus? Korruption?«
    »Nichts von allem, schon seit Jahrzehnten«, behauptete Mutter.
    »Gibt es bei Ihnen denn gar keine Unruheherde oder so was?«
    Mutter lächelte. »Wir sind recht gut ohne sie ausgekommen, nicht wahr, Vater?«
    »Es geht uns gut, wir haben keinen Grund zur Klage«, versicherte er uns.
    In dieser Altersgesellschaft hatte jeder eine sehr hohe Lebenserwartung. Die Welt war unterbevölkert, konservativ, und es mangelte nicht an einem gewissen Luxus für alle. Man legte Wert auf Anstand, Schicklichkeit und Sauberkeit. Keiner wollte eine Rückkehr zur chaotischen Übervölkerung der schlimmen alten Zeit, ehe die Geburtenzahl gesetzlich bestimmt und das Geheimnis des Antialterns allen zugängig gemacht worden war. Die Welt war jetzt viel kleiner, aber jeder hatte seinen Platz, den ihm niemand streitig machte. Das war im großen ganzen, was wir von Mutter erfuhren.
    »Ja«, sagte sie, »Vater wird im Juni hundertundsiebenundsechzig. Und ich bin hundertdreiundvierzig.«
    »Und sieht sie nicht wie höchstens hundertdreißig aus?« fragte Vater.
    »Das verdanken wir alles den Revitalisierpillen«, sagte Mutter strahlend und klopfte auf den Tisch.
    »Hast du mir geklopft?« fragte ein Mann an der Tür.
    »Nein, mein Kleiner, ich habe ohne Absicht geklopft.«
    »Oh, Mama, wer sind denn all diese Leute?«
    »Besucher, Junior.« Sie wandte sich an uns. »Das ist unser Sohn Victor. Er wird bald zweiundfünfzig.«
    »Im nächsten Monat«, sagte Victor atemlos. »Bitte, Mama, darf ich noch ein bißchen aufbleiben?«
    »Jungs, die noch wachsen, brauchen ihren Schlaf, Victor«, sagte Vater. Und Mutter sagte: »Wenn du erst siebzig bist, mein Kleiner, darfst du aufbleiben, solange du möchtest.«
    »Aber da muß ich ja noch sooo lange warten«, jammerte Victor. »Darf ich den Besuchern meine Kronenkorkensammlung aus der achten Dekade zeigen? Und meine 3D-Sternkarten aus der guten alten Zeit? Bitte, Mama, darf ich? Ja?

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