Intimer Betrug
dass Angeline nicht mehr sehr lange leben würde, wenn sie das Baby, das nach Bekunden des Arztes zu groß für sie war, nicht bald zur Welt brachte.
Er stieß sich von der Wand ab und erstarrte, als ein weiteres qualvolles Stöhnen zu ihm drang. Eine Mischung aus Schuldgefühlen und Reue drohte, ihm die Luft abzuschnüren. Eine Angst, so entsetzlich, dass er sie kaum aushalten konnte. Seine Frau wurde schwächer. Ach, könnte er ihr doch den Schmerz erleichtern. Wäre das Risiko, einen Erben zu bekommen, doch nur nicht so groß. Hätte er doch nie seinen Samen in ihren Schoß gepflanzt.
Reue, aus Verzweiflung geboren.
Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und sah mit bangem Blick zu ihrem Zimmer, als sich die Tür öffnete. Das Herz schlug ihm bis zum Hals.
Mit blutdurchtränkter Wäsche in den Armen eilte ein Dienstmädchen heraus. Tränen liefen ihr über das aschfahle Gesicht und aus ihrem Blick sprach eine Hilflosigkeit, wie er sie aus einer ähnlichen Nacht vor fünf Jahren von seinen Bediensteten kannte. Die Nacht, in der seine erste Frau bei der Geburt ihres gemeinsamen Kindes gestorben war.
Wieder hörte man durch die Tür ein gedämpftes Stöhnen. Angelines Schreie klangen jetzt schwächer, noch schmerzerfüllter und verzweifelter.
Entschlossen schritt Vincent zu dem Zimmer, in dem seine Frau darum kämpfte, sein Kind zu gebären. Er würde nicht zulassen, dass sie starb. Er hatte schon eine Frau bei dem Versuchverloren, ihm einen Erben zu schenken. Für den Tod einer weiteren Frau verantwortlich zu sein, würde er sich nie verzeihen.
Er öffnete die Tür und trat ein.
Ihm war vor Angst fast übel, als sein Blick sie fand, aber er ging langsam zum Bett.
»Sie hätten nicht … kommen sollen, Euer Gnaden«, flüsterte Angeline mit schwacher, schmerzerfüllter Stimme.
Er nahm einen tiefen Atemzug, der seine ohnehin schon beeindruckenden Schultern noch breiter wirken ließ. »Ich bin dein Ehemann. Genau hier sollte ich sein.«
Angeline versuchte ein Lächeln.
Sein Herz zog sich schmerzlich zusammen, während ein Teil von ihm starb. Er griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. »Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass ich lange genug gewartet habe. Ich verlange, dass du jetzt sofort und ohne weiteren Aufschub unser Kind zur Welt bringst.«
Ein Zittern lief durch ihren Körper. »Es sieht Ihnen ähnlich, Dinge zu fordern, die sich Ihrer Kontrolle entziehen.«
»Das kommt daher, dass das bislang stets Wirkung gezeigt hat«, antwortete er und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Lieber Gott im Himmel, er wollte sie nicht verlieren. Er konnte nicht behaupten, dass er sie liebte oder überhaupt zu wissen, was Liebe bedeutete, aber er war ihr zugetan und konnte sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen.
»Ich fürchte, in dieser Sache sind Ihre Forderungen zwecklos … Euer Gnaden.«
Er zwang sich, nicht darauf einzugehen, ihr nicht zu sagen, dass er dasselbe befürchtete.
Eine neue Schmerzwelle durchzuckte ihren Körper. Sie versuchte zu schreien, doch heraus kam nur noch ein mattes, klägliches Keuchen. Er nahm behutsam ihre Hand und sie hielt sich an ihm fest, wobei sie schon so schwach war, dass er ihren Griff kaum spürte.
»Weißt du, wie sehr ich dich liebe, Vincent?«, fragte sie, als die Wehe vorüber war.
In seinen Augen brannten Tränen. »Ja, Angeline. Ich war der glücklichste Mann auf Erden. Auf der ganzen Welt hätte ich keine bessere Frau finden können als dich. Du hast mich sehr glücklich gemacht.«
»Aber einen Erben konnte ich dir nicht schenken. Und ich weiß, wie sehr du dir einen gewünscht hast.«
»Das haben wir beide«, flüsterte er und die Kehle schnürte sich ihm zu.
»Ja, ich auch. Mehr als alles auf der Welt.«
Eine neue Wehe überwältigte sie. Sie schnappte nach Luft und umklammerte seine Hand. »Bitte geh … nicht weg.«
»Nein, Angeline, ich lasse dich nicht allein.«
Er setzte sich auf den Stuhl an ihrem Bett und hielt ihre schlaffe, zerbrechliche Hand. In seiner Brust wütete ein solch unbarmherziger Schmerz, dass sich sein ganzer Körper in Qual verkrampfte.
»Um das Kind brauchen Sie sich nicht zu sorgen, Euer Gnaden«, flüsterte Angeline. »Ich werde im Himmel gut auf es aufpassen.«
Vincent schluckte heftig. »Ich weiß.« Er beugte sich zu ihr und küsste sie sanft auf die Wange.
Sie versuchte, ihn noch ein letztes Mal anzulächeln.
Er streichelte ihr Gesicht und hielt fest ihre Hand. Was hatte er getan? War der Wunsch nach
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