Intimer Betrug
Erben wünschte. Vielleicht hat er uns deshalb so gehasst. Glaubst du das auch? Weil keine von uns der Sohn war, den er sich so sehnlichst wünschte?«
»Mag sein, Linny. Jeder Mann mit Land und einem Titel wünscht sich einen Sohn, an den er beides vererben kann. Vater ist da keine Ausnahme.«
»Ja. Aber nicht jeder Mann ist bereit, dafür seine Frau zu opfern. Selbst wenn Thomas nicht schon zwei Söhne hätte, würde er mich nicht zwingen, noch ein Kind zu gebären, wenn er glaubte, es könnte mich das Leben kosten.«
Grace konzentrierte sich auf das blasse Gesicht ihrer Schwester. »Ist dir immer noch jeden Morgen übel?«
»Nicht mehr so schlimm wie vorher.«
»Du musst wissen, dass du mich fast das wunderschöne burgunderrote Band gekostet hast, das ich mir passend zu diesem Kleid gekauft habe«, sagte Grace mit einem Funkeln in den Augen.
»Wie das?«
»Anne und ich haben gewettet, ob du die Trauungszeremonie überstehst, ohne aus der Kirche zu rennen, weil dir schlecht ist.«
Caroline hob ihre fein gezeichneten Augenbrauen. »Und worauf hast du gewettet?«
»Natürlich, dass du während der Zeremonie hinauslaufen musst.«
»Was?«
Grace lachte. »Das sollte dich nicht überraschen, Linny. Du verkraftest die frühen Monate der Schwangerschaft schlechter als jede deiner Schwestern.«
»Weil meine Kinder immer schon beinahe ausgewachsen sind, wenn sie sich entscheiden, endlich das Licht der Welt zu erblicken. Wenigstens hat Anne mir mehr zugetraut.«
»Nein«, widersprach Grace lächelnd. »Anne hat sogar gewettet, dass du nicht mal zur Hochzeit kommen würdest.«
Caroline versuchte, beleidigt auszusehen. Als ihr das misslang, lachte Grace wieder.
»Nun, mal sehen, wie es ihr geht, wenn sie das erste Mal schwanger ist.«
»Ich erinnere mich noch an Thomas’ Ankündigung nach deiner letzten Niederkunft«, meinte Grace. »Er hat uns mit großem Nachdruck erklärt, dass der kleine Robin dein letztes Kind sein würde.«
»Wenn es nach Thomas ginge, wäre Robin das auch. Aber ich lasse ihm in der Sache keine große Wahl. Ich will noch einmal versuchen, endlich eine Tochter zu bekommen.«
Grace lachte. »Und wenn das nächste Kind auch ein Sohn wird?«
»Darüber mache ich mir Gedanken, wenn es soweit ist. Außerdem hat Josie schon drei. Und nach den Blicken zu urteilen, die sie und ihr Viscount tauschen, wird auch Nummer vier nicht mehr lange auf sich warten lassen.« Caroline tätschelte Graces Arm. »Mach dir nichts vor, Grace. Keine von uns scheint Schwierigkeiten zu haben, ihren Mann mit Nachkommen zu versorgen. Wenn du uns noch einholen willst, wirst dich beeilen und dir schnellstens einen Ehemann suchen müssen.«
»Ich habe keine Absicht, mit irgendeiner von euch mitzuhalten. Ihr seid alle zu fleißig beim Schwangerwerden. Ich hege keinerlei Zweifel daran, dass unsere Annie in einem Jahr unter Beweis stellen wird, dass sie darin ebenso erfolgreich ist wie ihre Schwestern.«
Sie schwiegen lange, bevor Caroline endlich die Frage stellte, die zu stellen ihre anderen Schwestern sich nicht trauten. »Was wirst du jetzt machen, Grace? Du hast doch sicher nicht vor, zurück aufs Land zu gehen und dich bis an dein Lebensende um Vater zu kümmern?«
»Vielleicht doch. Auf dem Land zu leben wäre gar nicht so schlecht«, murmelte Grace und heuchelte Interesse an den ersten Gästen, die sich von Anne und ihrem Mann verabschiedeten.
»Doch, das wäre es. Du wärest wenig mehr als Vaters Sklavin.« Caroline fasste Grace an den Schultern und drehte sie zu sich. »Bleib eine Weile bei mir in London. Ich werde dich brauchen, wenn es bei mir soweit ist. Und wer weiß? Vielleicht lernst du während deines Aufenthalts bei uns jemanden kennen. Jemanden, der dir das Herz stiehlt und sich wahnsinnig in dich verliebt.«
Grace schüttelte den Kopf. »Den Traum habe ich schon lange begraben. Sich wahnsinnig zu verlieben ist unmöglich für eine alte Jungfer.«
»So alt bist du gar nicht, Grace. Du bist noch nicht einmal dreißig.«
Grace lächelte. »Aber ich werde es im nächsten Monat.«
Grace richtete den Blick auf ihren Vater. Baron Fentington stand noch immer neben ihm und beobachtete sie.
Beobachtete
sie. Ein Schauer lief ihr über den Rücken und sie hätte sich am liebsten vor seiner durchdringenden Musterung versteckt, vor seiner Art, sie mit Blicken auszuziehen. Sie rieb sich mit den Händen über die Arme, als versuche sie unbewusst, das schmutzige Gefühl abzuwischen.
»Warum starrt dieser
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