Intimer Betrug
sie sich zu ihm vor den Kamin, in dem ein Feuer brannte. Er schlang den Arm um sie und sie legte die Wange auf seine Brust und lauschte seinem zufriedenen Herzschlag.
Wenn das Feuer erlosch und es im Zimmer dunkel wurde, küsste er sie sanft, und sie begaben sich nach oben ins Bett.
Seit jener ersten Nacht hatte er sie nicht mehr an der Tür stehen lassen. Er kam immer zu ihr ins Bett oder nahm sie mit in seines.
Manchmal unterhielten sie sich zuerst. Er hielt sie in den Armen und erzählte ihr von seiner Jugend als Einzelkind, und sie schilderte ihm, wie es war, mit vielen Geschwistern aufzuwachsen. Er lachte über ihre Geschichten und ihr wurde klar, welches Glück sie gehabt hatte, denn Vincent konnte sich nichts anderes vorstellen als ein Leben allein.
Dann zog er sie mit einem zärtlichen Seufzer an sich und sie liebten sich.
Wie er sie liebte, war die reinste Magie. Manchmal langsam und träge, manchmal schnell und leidenschaftlich, mit einer Verzweiflung, von der sie wusste, dass sie von seinen Ängsten herrührte. Obwohl er ständig darum rang, seine Dämonen vor ihr zu verbergen, kannte Grace den Kampf, den er noch immer mit sich ausfocht.
Sie versuchte alles, was in ihrer Macht stand, um seine Befürchtungen zu zerstreuen. Doch selbst nach dem Liebesakt, wenn sie beide befriedigt waren, verdüsterten Schatten sein Gesicht. Sie wusste, dass es mehr Zeit brauchen würde. Dass ihr Kind dafür gesund zur Welt kommen musste.
Dennoch versuchte sie es immer wieder. Hörte niemals auf, ihren Stolz und ihre Freude mit ihm zu teilen. Bot ihm nie einen Anlass, etwas anderes als Glück darüber zu empfinden, dass sein Kind in ihr heranwuchs. Jeden Morgen, wenn sie die Augen aufschlug, sah sie als Erstes Vincents markantes, männlichesGesicht. Dann umarmte er sie, sein Mund fand ihren und sie war glücklicher, als sie es je für möglich gehalten hätte.
Leider waren Glück und Wohlbefinden nicht ein und dasselbe. Sie musste sich noch immer jeden Morgen nach dem Aufstehen übergeben. An diesem Morgen war es noch schlimmer als sonst gewesen und es ging ihr so schlecht, dass sie nicht mit Vincent frühstücken konnte.
Wenn ihre Zofe Alice irgendetwas seltsam daran fand, dass ihre Herrin jetzt schon unter morgendlicher Übelkeit litt, so ließ sie es sich nicht anmerken. Grace wusste, dass ihr Zustand unter Vincents Dienstboten regelmäßig Gesprächsthema war. Doch danach zu urteilen, wie sie von ihnen verwöhnt wurde, war keiner von ihnen unglücklich darüber.
Wenn sie sie sahen, lächelten sie ihr herzlich zu. Mrs. Cribbage, die in der Küche das Zepter schwang, war besonders fürsorglich. Gestern Morgen hatte sie ihr durch Alice ein Tablett mit einem heißen, süß riechenden Getränk und kleinen, hauchdünnen Toastscheiben nach oben bringen lassen, weil es ihrer Meinung nach gegen ihre Beschwerden half.
Grace nahm sich vor, Mrs. Cribbage für ihre Aufmerksamkeit eigens zu danken, und nahm noch einen Schluck von der heißen Flüssigkeit, die ihr heute Morgen wieder ans Bett gebracht worden war. Vielleicht half es wirklich ein wenig.
Grace wusste, dass die Übelkeit normal war, und betete, dass sie sich bald legte. Sie näherte sich jetzt dem Ende ihres dritten Monats und von ihren Schwestern hatte kaum eine viel länger darunter gelitten.
Sie konnte es kaum erwarten, dass es endlich aufhörte. Nicht so sehr um ihrer selbst willen, als vielmehr Vincent zuliebe.
Jeden Morgen, wenn sie dann doch zum Frühstück nach unten kam, war sein Gesicht so weiß wie ihres. Seine Sorge war unübersehbar. Als erlebte er das Unwohlsein seiner ersten beiden Frauen noch einmal mit.
Lächelnd legte Grace die Hand auf ihren Bauch. Er war nicht mehr so flach wie früher. Das Kind wurde größer undbald wäre es nicht mehr zu übersehen, dass sie guter Hoffnung war. Wahrscheinlich musste sie sich schon in zwei Monaten aus der Öffentlichkeit zurückziehen.
Grace zog sich fertig an. Sie hatte sich für ein elegantes, rosa-weiß gestreiftes Hauskleid entschieden, das ihr, wie Alice ihr versichert hatte, einen frischeren Teint verlieh, und trat vor den Spiegel. Zufrieden darüber, dass ihr Gesicht nicht mehr so schrecklich blass war, betrachtete sie sich ein letztes Mal und stieg dann die Treppe hinab.
Da sie wusste, dass sie ihn dort antreffen würde, begab sie sich in Vincents Arbeitszimmer. In der Erwartung, ihn über seine Geschäftsbücher gebeugt am Schreibtisch vorzufinden, öffnete sie die Tür, ohne vorher
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