Intimer Betrug
das Haus mit uns darin niederzubrennen?«
»Weil ich ihn in aller Öffentlichkeit bloßgestellt habe. Weil seine Grausamkeit und Perversionen endlich offen angesprochen werden und kein Mann aus der feinen Gesellschaft ihn mehr in der Nähe seiner Frau und seiner Kinder duldet. Er gibt mir die Schuld an seinem Unglück. Und du wärst sein nächstes Opfer geworden – bis ihm klar wurde, dass ich dich bereits deiner Tugend beraubt hatte. Ich habe dich für ihn verdorben.«
»Arme Hannah«, murmelte Grace und schmiegte sich schutzsuchend enger an Vincent. »Ein Leben mit einem solchenMonster erduldet zu haben. Kein Wunder, dass sie ihn so hasst, nachdem …«
Als Grace bewusst wurde, was sie offenbart hatte, verstummte sie.
Vincents Körper spannte sich. »Hannah … Madame Genevieve ist Fentingtons Tochter?«
Sie konnte ihm nicht antworten. Sie hatte es Hannah versprochen. »Nicht, Vincent. Lass es auf sich beruhen.«
Er runzelte sie Stirn und sprang auf die Füße. »Verflucht noch mal. Ich hätte es wissen müssen. Madame Genevieve ist Fentingtons Tochter Hannah. Als sie Fentington so perfekt beschrieben hat, hätte ich merken müssen, dass nur jemand so viel über ihn wissen kann, der mit ihm unter einem Dach gelebt hat.«
»Er ist schuld«, sagte Grace, die sich an Hannahs verzweifelten Wunsch erinnerte, ihrem Zuhause zu entkommen. »Er hat sie zu dem gemacht, was sie ist. Sie ist fast gestorben, als sie auf der Straße lebte, ohne jede Hilfe und ohne Zuflucht. Letztlich blieb ihr keine Wahl, als das zu werden, was sie ist. Es war besser, als jeden Tag die Hölle zu erleben, die sie unter seinem Dach erdulden musste. Zu Madame Genevieve zu werden war für sie die einzige Möglichkeit zu überleben.«
Wie jedes Mal, wenn sie daran dachte, was Hannah durchlitten haben musste, liefen Grace die Tränen über die Wangen. Doch Hannah traf keine Schuld. Sondern ihn. Den verachtenswerten Unhold, den zum Vater zu haben Hannahs Pech gewesen war.
»Ist schon gut, Grace.« Vincent zog sie in seine Arme. »Genevieve hat sich ihre Position erkämpft und ist zufrieden damit. Ich bin froh, dass sie dir helfen konnte. Ich bin ihr zu großem Dank verpflichtet.«
Grace blickte just in dem Moment auf, als seine Lippen sich auf ihre senkten. Der Kuss war zärtlich und warm und eine Verheißung auf mehr. Leider wurde Vincents Feuer gebremst, als Carver an die Tür klopfte.
»Die Duchess of Bilmore und Lady Pratts sowie Lady Franklin möchten Ihnen einen Besuch abstatten, Euer Gnaden. Und Mr. Kevin Germaine. Sind Sie zu sprechen?«
Vincent sah Grace lächelnd an und sagte: »Ja, Carver. Wir sind zu sprechen.«
Grace bemühte sich, ihre erröteten Wangen vor ihrem Butler zu verbergen, auf dessen Gesicht ein amüsiertes Lächeln zu erahnen war. Das war nicht das erste Mal, dass er sie beim Austausch von Zärtlichkeiten ertappte.
»Führen Sie sie bitte in den Salon«, ordnete Vincent leicht belustigt an. »Wir sind gleich da.«
»Komm, Liebling«, sagte er und half ihr auf die Beine. »Wir kümmern uns lieber um unsere Gäste, bevor sie noch glauben, sie hätten uns bei viel mehr gestört als bei einem harmlosen Kuss.«
Vincent führte seine Frau in den Salon. Vor der Tür blieben sie kurz stehen und Grace erteilte Carver die Anweisung, dass Emily so bald wie möglich Tee und Gebäck servieren sollte. Vincent war froh über die Verzögerung. Sie gab ihm Zeit, wieder in die Rolle zu schlüpfen, die er vor seiner Heirat gespielt hatte – die eines Verehrers, der verliebt in seine Auserwählte war und ihr den Hof machte.
Doch er musste feststellen, dass diese Rolle zu spielen jetzt ganz anders war als noch vor ein paar Wochen.
Er atmete tief durch und blickte zu seiner Frau. Ihre Wangen waren tiefrot und sie atmete zitternd. Ihre Nervosität entlockte ihm ein Lächeln. Er hob ihre Hand an seine Lippen und küsste sie. Dann bedeutete er Carver mit einem Nicken, die Tür zu öffnen.
Carver leistete dem stummen Befehl Folge und Vincent führte Grace hinein. Es war das erste Mal, dass sie als Ehepaar Besuch empfingen, und es war wichtig, einen aufrichtig glücklichenEindruck zu machen. Vincent schenkte ihren Gästen ein breites Lächeln, während er Grace in den Salon geleitete.
Als er den ergriffenen Ausdruck auf den Gesichtern der Duchess of Bilmore, von Lady Pratt und von Lady Franklin sah, musste er sich ein Lachen verkneifen. Sein Cousin hingegen wirkte erleichtert, dass endlich jemand kam, um ihn vor den drei
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