Intimer Betrug
anzuklopfen. Doch er stand mit dem Rücken zu ihr am Fenster und sah hinaus.
Während Grace ihn schweigend beobachtete, bekam sie Herzklopfen. Seine unverhohlene Männlichkeit verfehlte nie ihre Wirkung auf sie.
Seinen burgunderroten Rock hatte er ausgezogen und über die Armlehne seines Stuhles gelegt, sodass er nur sein weißes Leinenhemd, hellbraune Hosen und schwarze Stiefel trug. Sein weißes Halstuch lag auf dem Rock, sodass Grace wusste, sein Hemdkragen müsste offen stehen und gäbe den Blick auf die feinen dunklen Haare auf seiner Brust frei.
Bei dem Gedanken, mit den Fingern über seine Brust zu streichen und die Hände über die straffen Bauchmuskeln gleiten zu lassen, wurde ihr warm.
»Ich wüsste zu gerne, woran du denkst.«
Beim Klang ihrer Stimme wandte Vincent sich um. In dem Bruchteil einer Sekunde, bevor er ein Lächeln aufsetzen konnte, sah sie den gequälten Ausdruck in seinen Augen, den er nicht rasch genug hatte verbergen können.
»Ich dachte gerade, wie wunderschön meine Frau ist und dass ich der glücklichste Mann in ganz London bin.«
Grace eilte in seine ausgestreckten Arme. »Das glaube ich dir nicht so ganz, aber ich nehme das Kompliment trotzdem an.«
Er beugte sich zu ihr hinunter, um sie zu küssen, und Grace schlang die Arme um seinen Hals und drückte sich an ihn.
Lachend schob Vincent sie von sich. »Du spielst nicht gerade fair, Grace.«
Mit einem unschuldsvollen Lächeln gab sie ihm einen flüchtigen Kuss. »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.« Ihre Stimme klang heiserer, als sie sollte.
»Es ist erst kurz nach Mittag und schon will ich dich am liebsten wieder nach oben tragen und über dich herfallen.«
»Das klingt durchaus reizvoll«, erwiderte sie und sah ihn mit einem Lächeln an.
Er streichelte sanft ihre Wange und schüttelte den Kopf. »Das geht nicht, fürchte ich. Unsere zwei Wochen Privatsphäre sind vorüber.« Er deutete auf einen Stapel Karten und Einladungen auf einer Ecke des Schreibtisches. »Die sind heute Morgen eingetroffen. Heute Nachmittag bekommen wir bestimmt Besuch. Vermutlich wird die Herzoginwitwe von Bilmore die erste sein und Lady Pratts und Lady Franklin werden sie begleiten. Sie sind berühmt-berüchtigt für ihre Neugier und zudem üble Klatschbasen. Es wäre mir äußerst unangenehm, wenn sie hier ankämen, und wir noch im Bett lägen.«
Grace lachte. In den letzten zwei Wochen hatte sie sich als alles andere als eine dreißigjährige alte Jungfer gefühlt, die ihre besten Jahre schon hinter sich hatte. Sie war unsagbar glücklich und manchmal aufgeregt wie ein Schulmädchen. Daran war Vincent schuld. Er war der Grund, warum sie nicht mehr bereute, was sie getan hatte. Am liebsten hätte sie Hannah dafür gedankt, dass sie sie mit einem so perfekten Mann zusammengebracht hatte.
»Uns im Bett vorzufinden würde ihnen wenigstens Gesprächsstoff liefern.«
»In wenigen Monaten werden sie mehr als genug zu reden haben. Mir wäre es lieber, wenn sie nicht jetzt schon damit anfingen.«
Sie stutzte. »Bringt dich das sehr in Verlegenheit?«
Er schlang den Arm um ihre Schultern und setzte sich neben sie auf das geblümte Sofa, das er in sein Arbeitszimmer gebracht hatte, damit Grace es dort bequem hatte, während er arbeitete. Als sie es sich gemütlich gemacht hatten, sein Arm noch immer um ihre Schultern gelegt, griff er nach ihrer Hand und hielt sie fest. »Unser Baby wird nicht das erste sein, das nach weniger als neun Monaten nach der Hochzeit zur Welt kommt. Bis die Nachricht in die mondänen Salons vordringt, gibt es schon irgendeinen neuen, wichtigeren Skandal.«
Sie konnte ihr Glück nicht fassen. Es war, als wäre zwischen ihnen nie etwas vorgefallen, das zu bereuen wäre. Als wäre an den Umständen ihres Kennenlernens nichts ungewöhnlich gewesen. Als könnte sie die Gefahr vergessen, die in den Schatten lauerte.
Nach kurzem Zögern stellte sie ihm nun doch die Frage, die sie seit der Brandnacht beunruhigte. »Was gedenkst du wegen Fentington zu unternehmen, Vincent?«
»Ich möchte nicht, dass du dir in der Beziehung Sorgen machst, Grace. Ich werde mich um die Sache kümmern.«
»Aber ich
bin
besorgt. Er ist nicht ganz bei Trost. Er sieht die Dinge nicht wie andere Menschen.«
»Daran besteht kein Zweifel. Er lebt schon so lange mit seinen Wahnvorstellungen und seiner Selbstgerechtigkeit, dass er sich einbildet, ohne Fehl und Tadel zu sein.«
»Was glaubst du, warum er auf dich geschossen hat? Und versucht hat,
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