Intimer Betrug
seinen Blick auf. »Vielleicht noch einen Monat? Oder länger?«
»Grace, ich …«
»Und danach, Vincent? Planst du, jeden Abend zu mir nach Hause zu kommen, worauf ich dir gestatte, mir höflich die Wange zu küssen, mich ins Bett zu stecken und dich nicht weiter mit mir abzugeben, bis es Zeit für unseren nächsten Auftritt ist? Stellst du dir vor, dass wir jeden Abend Arm in Arm die Treppe hinaufsteigen wie das Liebespaar, als das wir uns den ganzen Tag und den ganzen Abend über ausgegeben haben? Willst du mir höflich eine gute Nacht wünschen, bevor du die Tür hinter mir schließt, damit du vergessen kannst, dass ich existiere?«
»Grace, das ist nicht …«
»Ich kann so nicht leben, Vincent. Und das werde ich auch nicht.« Grace machte eine heftige Handbewegung. »Wenn ich könnte, würde ich ungeschehen machen, was ich getan habe, aber dafür ist es zu spät. Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen. Ich kann nicht …«
»Das reicht! Was genau willst du von mir?«
Sie trat einen Schritt auf ihn zu, sodass er keine andere Wahl hatte, als ihr in die Augen zu sehen. »Ich will, dass du mir ein richtiger Ehemann bist.«
»Du weißt nicht, was du da von mir verlangst.«
Doch Grace weigerte sich, so einfach aufzugeben. »O doch. Ich kann mir vorstellen, wie sehr es dich geschmerzt hat, deineerste Frau zu verlieren, und das Baby mit ihr. Ich weiß, wie viel schwerer es für dich gewesen sein muss, eine zweite Frau und noch ein Baby zu verlieren und dann weiterzuleben, obwohl es dir das Herz gebrochen hat. Ich weiß, dass du danach geschworen hast, nie wieder zu heiraten.«
Er zog die Augenbrauen zusammen. »Woher weißt du …«
»Dein Cousin hat es mir gesagt, während er mir wortreich dazu gratulierte, dass ich dir das Herz gestohlen und dich dazu gezwungen habe, genau das Risiko einzugehen, das du geschworen hattest, nie wieder auf dich zu nehmen.«
»Dann weißt du auch …«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nichts, außer dass ich ein ebenso großes Risiko eingehe wie du. Kannst du mir garantieren, dass du nicht auf die Straße trittst und von einem Pferdegespann erfasst wirst, bevor unser Kind geboren ist? Kannst du mir versprechen, dass Fentington nicht noch einmal versuchen wird, dir etwas anzutun? Und diesmal vielleicht Erfolg damit hat?« Sie bemühte sich, die Tränen, die ihr in den Augen standen, zurückzuhalten. »Weißt du, mit welchen Schuldgefühlen ich jeden Tag lebe, weil ich weiß, dass er dir die Verantwortung für
meine
Taten zuschreibt?« Grace schlang die Arme fester um sich. »Kannst du dir vorstellen, mit welchen Schuldgefühlen ich Tag für Tag leben muss, weil ich weiß, dass ich für die Kugel verantwortlich bin, die dich getroffen hat?«
»Nein. Das war nicht deine Schuld.«
»Doch. Genau wie es meine Schuld ist, dass du zu einer erneuten Heirat gezwungen bist. Ich wünschte wirklich, dass mir eine andere Methode eingefallen wäre, Fentington zu entkommen. Eine, die nichts mit dir zu tun gehabt hätte. Eine, die dich nicht in Gefahr gebracht hätte. Aber so war es leider nicht. Ich habe nicht damit gerechnet, dass du mich je finden würdest. Ich habe nicht damit gerechnet, dass du je auch nur den Wunsch danach verspüren könntest.«
Ihre Tränen flossen jetzt ungehindert. Er streckte die Arme aus, um sie an sich zu ziehen, doch sie entwand sich ihm undhob abwehrend die Hand. »So will ich nicht leben, Vincent. Ich will keinen Abgrund der Furcht oder des Misstrauens zwischen uns, der niemals überbrückt werden kann. Ich will nicht, dass unsere Ehe nur eine leere, substanzlose Hülle ist. Bitte lass mich mit meiner Reue nicht allein.«
Sie sah, wie der ruhelose Ausdruck in seinen Augen noch intensiver wurde, und meinte zu spüren, wie der Boden unter ihr nachgab. »Ich erwarte nicht, dass du mich jemals liebst«, sagte sie, ihre Worte kaum mehr als ein Flüstern. »Nicht nach dem, was ich dir angetan habe, wie ich dich hintergangen habe. Aber bitte verdamme mich nicht zu so einer bitteren Existenz. Lass mich nicht bis an mein Lebensende Tag für Tag dafür büßen, dass ich dich getäuscht habe.«
Er stand wie angewurzelt da. Schließlich sah Grace, wie sich seine Schultern in einem tiefen Seufzer hoben.
»Ich gebe dir nicht die Schuld an dem, was du getan hast, um Fentington zu entkommen. Du hattest kaum eine Wahl. Und nichts von dem, was Fentington danach getan hat, kann man dir anlasten, Grace. Er ist geistesgestört. Er denkt nicht wie du und ich. Du
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