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Intimitaet und Verlangen

Intimitaet und Verlangen

Titel: Intimitaet und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schnarch
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sprechen könnte. Nach meiner Überzeugung spiegeln sich darin Veränderungen der Funktionsweise des Gehirns.
    Brightening erkennen auch unvorbereitete Beobachter – so erging es mir, als ich das Phänomen zum ersten Mal bemerkte. Etwa am vierten Tag meines neuntägigen Paar-Workshops Passionate Marriage ® sagten die Teilnehmer plötzlich zueinander: »Du siehst ja völlig anders aus! So blendend!« Die Paare, bei denen schon früh im Laufe eines solchen Workshops das Brightening auftritt, sind immer diejenigen, die den übrigen Teilnehmern am ersten, zweiten und dritten Tag der Veranstaltung besonders leid taten, weil sie sich zu dieser Zeit mit ihren Problemen auseinandersetzten und bei Außenstehenden einen schrecklichen Eindruck erweckten. Am vierten Tag sind die anderen Teilnehmer dann neidisch auf sie und betrachten ängstlich ihre eigenen Partner. Dieses Muster beobachte ich seit zehn Jahren regelmäßig bei Paar-Workshops, und auch aus meiner therapeutischen Arbeit mit einzelnen Paaren ist mir dieses Phänomen wohlbekannt.
    Paare, bei denen Brightening erkennbar wird, denken aufgrund dessen auch anders und gehen besser mit ihren Emotionen um. Ihre Ehen werden stabiler und stehen in geringerem Maße unter dem Einfluss von Ängsten. Die Beziehungen der Partner zu ihren Kindern, Eltern und Freunden werden facettenreicher, tiefer und robuster. Diese Veränderungen sind relativ immun gegen Stress, im Gegensatz zu dem, was man erwarten könnte, wenn sich bei den Partnern die Funktionsweise des Gehirns verändert.
    Kates und Pauls Situation bessert sich
    Kate wurde ausgeglichener, und ihre Ausbrüche starker Emotionalität wurden seltener. An manchen Tagen war sie zwar immer noch niedergeschlagen, doch es gelang ihr besser, ihre Tiefs nicht mehr so stark ausufern zu lassen wie vorher. Nicht nur Kates Gesichtsausdruck, ihre emotionale Grundstimmung und ihr Verhalten hellten sich auf, sondern auch die Menschen in ihrer Umgebung reagierten positiver auf sie. Paul sagte, er könne nun entspannter mit ihr umgehen und mache sich weniger Sorgen wegen des nächsten Emotionsausbruchs. Ihr Sohn, ein Teenager, meinte, er habe den Eindruck, seine Eltern kämen besser miteinander aus. Paul und Kate waren erstaunt über diese Bemerkung, und ihnen wurde dadurch klar, dass ihr Sohn genau verfolgte, was mit ihnen los war, dass er ihr Verhalten beobachtete und dass er spiegelte, was in ihrem Geist vor sich ging. Aufgrund seines äußeren Verhaltens hätten sie nie geglaubt, dass er ihnen überhaupt Beachtung schenkte.
    Ebenso wichtig war, dass sich Kates sexuelles Verlangen änderte. Dass sie und Paul einander im Geiste näher kamen, wenn ihre Körper einander berührten, verstärkte Kates Verlangen nach Sex. Trotz der zahlreichen sexuellen Erfahrungen, die sie vor ihrer Beziehung mit Paul gemacht hatte, war dies etwas völlig Neues für sie. Die Veränderung von Kates Verlangen bezog sich nicht ausschließlich auf ihr Verhältnis zu Paul. Vielmehr spürte sie in sich ein Verlangen, das von ihren Gefühlen Paul gegenüber unabhängig war. Sie fühlte sich zwar auch zu ihm stärker hingezogen, aber da war auch noch etwas anderes: Sie spürte, dass ihr Verlangen zutage trat. Sie verglich es mit dem Knallen des Korkens einer Champagnerflasche.
    Es war sicher kein Zufall, dass Kates Kindheitserinnerungen nun deutlicher wurden. Zu Beginn unserer Sitzungen hatte sie gesagt, sie könne sich nur an wenige Details erinnern, doch nach diesem Wenigen zu schließen sei ihre Kindheit wohl ziemlich normal verlaufen. Ihre Mutter hatte sich um den Haushalt und die Erziehung der Kinder gekümmert. Ihr Vater hatte hart gearbeitet und war oft nicht zu Hause gewesen. Ihre Eltern waren gut miteinander ausgekommen. Sie und ihre Schwester hatten eine normale Schullaufbahn hinter sich. Einmal war ihr Vater ziemlich wütend geworden, als er sie beim Rauchen erwischt hatte. Sie war bei den Girl Scouts aktiv gewesen. Ihre Mutter hatte ihr geholfen, Abzeichen auf ihre Pfadfinderuniform zu nähen. Also wirklich nichts Ungewöhnliches, sondern völlig normale Dinge.
    Kates revidiertes Bild sah völlig anders aus: Ihr Vater war häufig nicht zu Hause gewesen, und wenn er da war, dann oft betrunken. Ihre Mutter war nicht bereit oder in der Lage gewesen, sich um Kate und ihre ältere Schwester zu kümmern. Oft hatte sie mit ihrer Schwester

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