Intimitaet und Verlangen
des Lebens im Wachzustand wirksam.
Mentalisieren steht im Zentrum aller sozialen Interaktionen. Die Fähigkeit, den geistigen Zustand anderer zu manipulieren, um ihr Verhalten zu verändern, zeugt von sozialer Intelligenz. Erfolgreiche soziale Interaktionen, ob sie nun direkt oder manipulativ sind, werden möglich, wenn wir erkennen, wer unser Gegenüber ist und wie er oder sie »tickt«. Gewöhnlich findet auch bei unangenehmen und unbefriedigenden Interaktionen in starkem MaÃe Mentalisieren statt, nur dass in solchen Fällen die Gefahr unzutreffender Einschätzungen deutlich gröÃer ist.
Mentalisieren ist für die Aufrechterhaltung Ihres gespiegelten Selbstempfindens wichtig. Wenn Sie nicht herauszufinden vermögen, was ein anderer Ihnengegenüber empfindet, wissen Sie nicht, woran Sie in der betreffenden Situation sind. Dieses Nichtwissen verunsichert Sie, und deshalb versuchen Sie mit allen verfügbaren Mitteln herauszubekommen, was tatsächlich los ist. Das Mentalisieren ermöglicht Ihnen, sich so darzustellen, dass andere Sie so akzeptieren und bestätigen, wie es Ihnen genehm ist.
Sally und Robert war nicht klar, dass sie einander jeden Abend beim Zubettgehen mental spiegelten. Sally gab sich ganz unbefangen, beobachtete Robert aber intensiv auf Anzeichen dafür, ob er vorhatte, sexuell aktiv zu werden. Und Robert beobachtete Sally mit Argusaugen, um zu erkennen, ob sie »in Stimmung« war.
Ihr Gehirn ist dazu geschaffen, den Geist anderer Menschen zu spiegeln
Im letzten Jahrzehnt wurde erforscht, wie unser Gehirn herausfindet, was im Geist anderer Menschen vor sich geht. So wurde ein riesiges neuronales Netzwerk entdeckt, das Zellen in verschiedenen Gehirnbereichen umfasst, die im Rahmen eines komplexen Systems zusammenarbeiten. Am Mentalisierungsprozess sind drei Bereiche des Gehirns beteiligt: (1) Zellen auf der Rückseite des Kopfes identifizieren motorische Verhaltensweisen anderer Menschen. (2) Zellen im mittleren Bereich des Gehirns lesen die Emotionen anderer Menschen und fügen ihnen eine eigene emotionale Reaktion hinzu, die mit der zuvor identifizierten des anderen zusammengefügt wird. (3) Zellen im Vorderhirn entwickeln aufgrund des Resultats dieser Analyse eine Reaktion. Dies ist eine stark vereinfachte Darstellung dessen, wie der Neokortex mit den Emotionszentren im Gehirn verhandelt und wie er sie zu organisieren versucht. Für unsere Zwecke reicht die Feststellung, dass der Teil des Gehirns, der darüber entscheidet, welche Bedeutung bestimmten Dingen zugewiesen wird, nicht unbedingt besonders rational ist. 5
Mentalisieren basiert auf zuverlässigen und hocheffizienten Mechanismen im sogenannten »Reptilienhirn«, dem ältesten Gehirnteil. Er ermöglicht uns, unsere eigenen Handlungen von denjenigen anderer Menschen zu unterscheiden. 6
Andere Teile Ihres Gehirns bauen auf diesem Resultat auf, indem Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das richten, worauf andere Menschen fokussieren. Indem wir dem Blick anderer folgen und ihre Emotionen wahrnehmen, können wir herausfinden, welche Ziele sie haben â was die anderen wollen (bzw. wünschen). So können Sie das zukünftige Verhalten anderer erschlieÃen und Ihre eigenen zielgerichteten Handlungen dementsprechend organisieren. 7
Reptilien sind dazu nur in sehr geringem MaÃe in der Lage. 8 Doch das »Säugetierhirn« reichert diese grundlegenden Informationen mit Emotionen und Bedeutungen an. Dieser nicht-rationale, emotional reagierende Teil des Gehirns beeinflusst entscheidend, wie wir auf das, was wir über andere Menschen in unserer Umgebung herausgefunden haben, reagieren. Der Präfrontalkortex fügt unserer mentalen Spiegelung des Geistes der anderen Person Details hinzu, verhandelt mit dem Säugetierhirn darüber, welche Handlungen ausgeführt werden sollen, und setzt diese Handlungen um. 9
Wie ich bereits erwähnte, stellte Helen Fisher fest, dass Gehirnscans Reaktionen bestimmter Teile des Gehirns auf romantische Liebe und anderer Bereiche auf eine längere Liebesbeziehung belegen. Letztere spielen sowohl beim Mentalisieren als auch für das Erkennen der Vorgänge in unserem eigenen Geist (also für die Selbstwahrnehmung) eine wichtige Rolle. 10
Warum haben die Menschen gelernt wahrzunehmen, was im Geist anderer vor sich geht?
Zwei Zoologen gelangten unabhängig voneinander zum gleichen Schluss: Der Kampf gegen
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