Intimitaet und Verlangen
Unzulänglichkeit blieb erträglich. Julian unterjochte Karen, indem er ihr Sex, Intimität und Bestätigung vorenthielt und ihr das Gefühl vermittelte, minderwertig und »nuttig« zu sein. Dies gelang ihm einzig und allein deshalb, weil sie eine monogame Beziehung hatten (oder zumindest zu haben glaubten).
Warum verhielt Julian sich so? Er sagte, der unmittelbarste Grund dafür sei, dass er sich durch Karens Erfolg bedroht fühle. Sie forderte mehr Einfluss auf familiäre Entscheidungen, weil ihr Anteil am gemeinsamen Einkommen erheblich gröÃer geworden war. Julian fürchtete, Karen werde ihn irgendwann dominieren. Andererseits sah er auch die Gefahr, dass sie ihn verlassen könnte. Vielleicht würde sie ja einen erfolgreicheren und dynamischeren Mann kennenlernen, als er es war.
Das Skript der beiden war so alt wie das Menschengeschlecht. Konflikte, diedurch die persönliche Entwicklung und durch die Monogamie entstehen, haben die Menschheitsgeschichte geprägt.
Monogamie und Prähistorie
Vor 10000 Jahren begannen Männer offenbar mit dem gröÃten bekannten Beispiel für Funktionsübertragung in der gesamten Geschichte der Menschheit: Sie fingen an, Frauen zu unterwerfen. Die Folgen wirken noch heute in Ehen und Gesellschaften auf der ganzen Welt nach.
Offenbar war Homo sapiens nach der Steinzeit anders als zu deren Beginn. Soweit uns bekannt ist, waren Männer und Frauen in den Jäger/Aasfresser-Bauern/Sammler-Gesellschaften gleichgestellt. 10 Am Ende der Steinzeit jedoch war der Mann der Herr und die Frau sein Besitz.
Wie kam es zu dieser gewaltigen Veränderung? Vielleicht war sie das Resultat der Bemühungen jener frühen Männer, eine emotionale Pattsituation aufzulösen. Oder es war die Reaktion des Mannes auf das Bedürfnis der Frau nach (fremdbestätigter) Intimität. Einiges spricht dafür, dass diese Entwicklung die Folge der Manifestation eines gespiegelten Selbstempfindens war, das Bedürftigkeit signalisierte. Niemand weià genau, warum es geschah, aber dass es geschah, steht auÃer Frage. Einige Experten sehen den Grund darin, dass die Jäger-und-Sammler-Kulturen sich in Agrargesellschaften verwandelten, die Tiere domestizierten und den Pflug erfanden. Männer übernahmen in diesem Rahmen die Feldarbeit und die Versorgung des Viehs, und das Ansehen der Frauen sank, weil sie kein Essen auf den Tisch brachten, sondern es nur zubereiteten.
Offenbar erlag das gespiegelte Selbstempfinden des Mannes deshalb dem GröÃenwahn. Die frühesten Zeugnisse deuten darauf hin, dass die Situation auÃer Kontrolle geriet. Um 3000 v. Chr. waren Frauen zu mobilem Besitz geworden, und bezüglich sexueller Freiheiten galten für Frauen und Männer unterschiedliche MaÃstäbe. Damit war die von Männern dominierte Gesellschaft geboren. 11 Zweifellos beruhte die ewige Suche des Mannes nach Aphrodisiaka auf einer Notwendigkeit. Man kann sich leicht vorstellen, dass das sexuelle Verlangen unserer weiblichen Vorfahren sehr geschwächt wurde und dass sie sich ihren Männern sexuell verweigerten, als sie von ihnen zu Eigentum degradiert wurden.
Weil die Menschen in jener Zeit von ihrem Ackerland abhängig waren, erforderte das Leben in der Agrargesellschaft dauerhafte Monogamie. Als später die industriellen Gesellschaften zur dominierenden ökonomischen und sozialenKraft wurden, erlangten die Frauen ihre Gleichberechtigung teilweise zurück. Heute verfügen wir über mehr Freiheit, unsere ursprüngliche Sex-, Liebes- und Ehedynamik zu entfalten â als Gleichgestellte. Die neuesten Tendenzen der menschlichen Differenzierung haben gezeigt, dass Frauen in immer stärkerem MaÃe die Wahl  â also Entscheidungsfreiheit â haben, im kognitiven und sozialen Bereich ebenso wie bezüglich der Fortpflanzung. Frauen auf der ganzen Welt weigern sich heute zunehmend, sich tyrannischer Willkür zu unterwerfen.
Die Entdeckung der Rolle des Mannes bei der Fortpflanzung
In der Kulturgeschichte der Erotik macht Reay Tannahill die Unterwerfung der Frauen für das gespiegelte Selbstempfinden des Mannes verantwortlich. Sie vertritt die These, in der Steinzeit hätten Männer herausgefunden, dass das Sperma für die Schwangerschaften von Frauen und somit für die Entstehung von Nachwuchs eine wichtige Rolle spielte. Vor diesem Zeitpunkt (und in einigen abgeschiedenen indigenen
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